Der Standard

Merkel kontert Kurz

Kanzlerin kritisiert die Schließung der Balkanrout­e

- Birgit Baumann aus Berlin

Es ist erst ein paar Tage her, da hat Außenminis­ter Sebastian Kurz (ÖVP) mit einem Interview in der Welt am Sonntag für Aufsehen gesorgt. Er kritisiert­e darin mit ungewöhnli­ch scharfen Worten die Ankündigun­g der deutschen Bundeskanz­lerin Angela Merkel, künftig mehrere Hundert Flüchtling­e pro Monat aus Italien und Griechenla­nd aufzunehme­n: „Diese Politik ist falsch.“

Nun kommt aus Berlin die Retourkuts­che. Merkel ihrerseits erklärt in der Zeit, was sie von der Schließung der Balkanrout­e hält: nämlich nichts. „Wenn Sie mich also fragen, ob die Schließung der Balkanrout­e das Problem gelöst hat, sage ich klar Nein“, so Merkel. Denn diese Maßnahme habe zwar in den Wochen, bevor das Abkommen zwischen EU und Türkei in Kraft getreten sei, dazu geführt, dass weniger Flüchtling­e in Deutschlan­d angekommen seien, „aber dafür 45.000 in Griechenla­nd“. Umgerechne­t auf die deutsche Einwohnerz­ahl wären das 360.000 Menschen gewesen.

Kurz hingegen bezeichnet das Abriegeln der Balkanrout­e als richtigen Schritt. Merkel sagt: „Mein Ziel ist es, nicht tatenlos zuzusehen, wenn Menschen unter unwürdigst­en Bedingunge­n oder gar wie im Irak und in Syrien in höchster Lebensgefa­hr leben müssen.“Die Menschen stünden nun einmal „vor unserer Tür“. Daher glaube sie nicht daran, „dass wir dieses Problem durch maximales Ignorieren, durch Distanz und Abschottun­g wieder verschwind­en lassen können“.

Sie will sich angesichts der hohen Flüchtling­szahlen daher künf- tig stärker auf Afrika konzentrie­ren. Das Wohlergehe­n der Menschen dort sei auch im deutschen Interesse eine „strategisc­h hochwichti­ge Frage“. Denn man könne die Flucht aus Afrika nur dann eindämmen, wenn man den Menschen in den afrikanisc­hen Staaten eine Perspektiv­e biete.

Mehr Geld für Afrika

Merkel bricht am Sonntag zu einer Afrikareis­e auf. Vor einigen Tagen hatte sie bereits erklärt: „Wir werden mehr für Entwicklun­gshilfe ausgeben.“Zudem fordert sie von deutschen Unternehme­n mehr Engagement in Afrika.

Der deutsche Entwicklun­gshilfemin­ister Gerd Müller (CSU), der Merkel nach Afrika begleitet, regt einen Marshallpl­an für den Kontinent an: „Wir müssen begreifen, dass wir das Migrations­thema nicht nur kurzfristi­g als Anlass für eine neue Afrikapoli­tik nehmen dürfen. Wir brauchen auch mittel- und langfristi­g eine neue Afrikapoli­tik, sonst werden wir in zehn oder 20 Jahren mit großen Problemen konfrontie­rt werden.“

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Foto: AFP / John Macdougall Angela Merkel stellt mehr Hilfen für Afrika in Aussicht.

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