Mit Abstand gegen Kottan-Unfälle
Radfahrer sollen laut Gericht bis zu 1,8 Meter seitliche Distanz zu Autotüren halten
Wien – „Pass auf, sonst kugelt wieder a Passant durch die Gegend“, warnt Polizeimajor Adolf Kottan vom Beifahrersitz aus seinen Assistenten Schrammel. „Niemand da“, antwortet der, ohne sich umzudrehen. Er zieht am Türgriff, und ein Radfahrer macht unangenehme Bekanntschaft mit der sich öffnenden Autotür. Was Helmut Zenker in der Fernsehserie Kottan ermittelt zum Running Gag machte, kostet in der echten Welt Rad- fahrer immer wieder die Gesundheit – oder das Leben.
Weil Autotüren knapp unter neunzig Grad ihren größtmöglichen Öffnungswinkel erreichen und dann zu einem starren Hindernis werden, halten viele Radfahrer lieber ausreichenden Seitenabstand zu parallel parkenden Autos. Diese Maßnahme gegen „Dooring“, wie Kottan- Unfälle im 21. Jahrhundert auch genannt werden, beobachteten Polizisten im September des Vorjahres bei einem Radfahrer in der Schulgas- se in Wien-Währing. Sie zeigten ihn wegen Missachtung des Rechtsfahrgebotes an.
Mit Unterstützung des Vereins Radlobby legte der Beschuldigte Beschwerde beim Verwaltungsgericht Wien ein. Mehr als ein Jahr später kam das Gericht nun zu dem Urteil, dass ein Seitenabstand von rund 1,4 Metern bei 30 km/h eine legitime Entfernung zwischen Fahrradreifen und parkenden Autos ist. Ein solcher Abstand sei nicht ver-, sondern sogar geboten, „will sich der Radfahrer nicht der Gefahr aussetzen, durch eine geöffnete Fahrzeugtüre verletzt zu werden“. Die Anzeige wurde fallengelassen.
Sharrows gegen Dooring
Als Mindestabstand empfiehlt das Gericht einen Meter plus die halbe Länge des Lenkers. Im verhandelten Fall sei selbst ein Abstand von bis zu 1,8 Metern „eine noch durchaus vertretbare Entfernung“. Zum Vergleich: Radstreifen dürfen in Österreich bis zu 1,5 Meter schmal sein; wer sich in ihrer Mitte bewegt, hält also nur 75 Zentimeter Abstand zu den parkenden Autos – deren Türen sich aber oft bis zu einen Meter weit öffnen lassen. Für die Wahl des richtigen Seitenabstandes erachtet es das Gericht im Übrigen als unerheblich, ob andere Straßenbenützer behindert oder verlangsamt werden. Vielmehr müsse die eigene körperliche Selbstgefährdung ausgeschlossen werden.
Die Radlobby fordert zur Minimierung der „Dooring“-Gefahr eine bundesweite Bewusstseinskampagne, breitere Rad- und Mehrzweckstreifen neben Parkstreifen und sogenannte „Sharrow“-Markierungen, die auf in der Mitte des Fahrstreifens fahrende Räder hinweisen.