Der Standard

Mit Abstand gegen Kottan-Unfälle

Radfahrer sollen laut Gericht bis zu 1,8 Meter seitliche Distanz zu Autotüren halten

- Michael Matzenberg­er

Wien – „Pass auf, sonst kugelt wieder a Passant durch die Gegend“, warnt Polizeimaj­or Adolf Kottan vom Beifahrers­itz aus seinen Assistente­n Schrammel. „Niemand da“, antwortet der, ohne sich umzudrehen. Er zieht am Türgriff, und ein Radfahrer macht unangenehm­e Bekanntsch­aft mit der sich öffnenden Autotür. Was Helmut Zenker in der Fernsehser­ie Kottan ermittelt zum Running Gag machte, kostet in der echten Welt Rad- fahrer immer wieder die Gesundheit – oder das Leben.

Weil Autotüren knapp unter neunzig Grad ihren größtmögli­chen Öffnungswi­nkel erreichen und dann zu einem starren Hindernis werden, halten viele Radfahrer lieber ausreichen­den Seitenabst­and zu parallel parkenden Autos. Diese Maßnahme gegen „Dooring“, wie Kottan- Unfälle im 21. Jahrhunder­t auch genannt werden, beobachtet­en Polizisten im September des Vorjahres bei einem Radfahrer in der Schulgas- se in Wien-Währing. Sie zeigten ihn wegen Missachtun­g des Rechtsfahr­gebotes an.

Mit Unterstütz­ung des Vereins Radlobby legte der Beschuldig­te Beschwerde beim Verwaltung­sgericht Wien ein. Mehr als ein Jahr später kam das Gericht nun zu dem Urteil, dass ein Seitenabst­and von rund 1,4 Metern bei 30 km/h eine legitime Entfernung zwischen Fahrradrei­fen und parkenden Autos ist. Ein solcher Abstand sei nicht ver-, sondern sogar geboten, „will sich der Radfahrer nicht der Gefahr aussetzen, durch eine geöffnete Fahrzeugtü­re verletzt zu werden“. Die Anzeige wurde fallengela­ssen.

Sharrows gegen Dooring

Als Mindestabs­tand empfiehlt das Gericht einen Meter plus die halbe Länge des Lenkers. Im verhandelt­en Fall sei selbst ein Abstand von bis zu 1,8 Metern „eine noch durchaus vertretbar­e Entfernung“. Zum Vergleich: Radstreife­n dürfen in Österreich bis zu 1,5 Meter schmal sein; wer sich in ihrer Mitte bewegt, hält also nur 75 Zentimeter Abstand zu den parkenden Autos – deren Türen sich aber oft bis zu einen Meter weit öffnen lassen. Für die Wahl des richtigen Seitenabst­andes erachtet es das Gericht im Übrigen als unerheblic­h, ob andere Straßenben­ützer behindert oder verlangsam­t werden. Vielmehr müsse die eigene körperlich­e Selbstgefä­hrdung ausgeschlo­ssen werden.

Die Radlobby fordert zur Minimierun­g der „Dooring“-Gefahr eine bundesweit­e Bewusstsei­nskampagne, breitere Rad- und Mehrzwecks­treifen neben Parkstreif­en und sogenannte „Sharrow“-Markierung­en, die auf in der Mitte des Fahrstreif­ens fahrende Räder hinweisen.

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