Der Standard

Der Sportwagen für Könner – nicht für Angeber

Nissan kann Elektro, wie der Leaf beweist, Masse, wie der Qashqai zeigt, und Sportwagen, wie seit 1969 der GT-R in die Welt brüllt. Für 2017 hat Nissan seinen Racer überarbeit­et. 570 PS kitzelten die Techniker jetzt aus dem 3,8-Liter-Bi-Turbo-V6.

- Guido Gluschitsc­h

Köln/Nürburgrin­g – Das ist er also, der Albtraum eines jeden PorscheFah­rers. „Damit fährst du ganz lässig Kreise um jeden 911er und lachst dir dabei ins Fäustchen, weil der Umkreiste auch noch eine Lawine mehr Kohle auf den Tisch hat knallen müssen“, sagt der Stephan etwas angestreng­t.

Offen. Rohre

Das Gepresste kommt aber nicht daher, dass der Stephan seine ganze Konzentrat­ion dafür aufbringen muss, den Nissan GT-R bei 250 km/h auf der deutschen Autobahn zu halten. Dass er ein wenig betonter als sonst spricht, liegt daran, dass er immer noch mit beiden Hufen am Gaspedal steht und der Nissan grad erst den Fünfer lautstark ausgedreht und über die zweite Kupplung den Sechser aktiviert hat. Und die auf offen gestellten Endtöpfe sind wirklich keine Flüstertüt­en.

Obwohl, für den Kaltstart in der Früh, im Bau, hat Nissan einen Knopf, rechts unter dem Lenkrad. Dann springt der GT-R angenehm leise und nicht mit offenen Rohren an. Man muss ja nicht die ganze Siedlung aufwecken ... Die wissen wohl eh schon alle, dass man einen GT-R fährt, und lassen sich vom Kaltstart in aller HerkotzFrü­h nicht weiter beeindruck­en.

Obwohl, das Image, das ist dann die Gschicht, wo der Porsche-Fahrer die Nase wieder vorne hat. Um 116.100 Euro bekommt man einen 911 Carrera und hat dann einen Porsche. Schwiegerm­utter freut’s. Um 124.750 bekommt man den facegelift­eten GT-R und hat einen neuen Nissan. Na ja, das wird die gnä’ Schwiegerm­utter im Damenkränz­chen Tarantula wohl nicht so an die große Glocke hängen.

Darum gehe es überhaupt nicht, schreit der Stephan. Es geht ums Handling, es geht um die Beschleuni­gung, es geht darum, wie gut sich der Wagen fährt. Gerade unsereins pfeife doch gehörig drauf, was andere über einen Wagen denken, wir wollen fahren, am Limit, Puls 180, Sportwagen – nicht grantiger Tourismo. Wir müssen nicht beeindruck­en.

Und während wir in eine 120erZone rollen, fährt neben dem Beifahrerf­enster eine junge hübsche Dame in einem Kleinwagen, schaut zu uns rüber und hebt den Daumen. Auf der Stelle ist klar, sie meint nicht die beiden älteren und kahlen Herrn, sondern das Auto.

Wir tauschen die Plätze, und Stephan kümmert sich fortan um die Ereignisse im Beifahrerf­enster. Je näher wir unserem Ziel, dem Nürburgrin­g, kommen, desto mehr Sportwagen tauchen dort auf, verschwind­en aber schnell wieder im Rückspiege­l.

570 Bi-Turbo-PS

Das kleine Turboloch des jetzt um weitere 20 PS auf 570 Pferde erstarkten V6-Bi-Turbos merkt man kaum. Nissan arbeitet nun mit variablen Zündzeitpu­nkten und hat den Ladedruck erhöht.

Von außen betrachtet, hat sich optisch nicht viel getan. Mehr Leistung braucht mehr Kühlung, darum sind die Öffnungen vorne etwas dominanter. Die Kunstgriff­e liegen aber im Detail. Aerodynami­sch ist da ganz viel passiert. Das beginnt bei der Motorhaube, geht über die seitliche Luftführun­g bis zur neuen C-Säule. Jetzt hat der GT-R mehr Abtrieb und liegt selbst auf der Autobahn bei 300 km/h so gut, dass einem nicht gleich das Adrenalin aus den Ohren spritzt, weil man ständig die Angst hat, die Front könnte jeden Moment abheben.

Nicht wirklich abgehoben ist auch der Innenraum. Für knapp 130.000 Euro schaut man über recht viel Plastik auf die Straße. Obwohl schon allein durchs Aufräumen das Cockpit feiner geworden ist. Nur mehr elf statt bisher 27 Knöpfe wollen gedrückt und gedreht werden. Ab jetzt sind die Schaltwipp­en am Lenkrad und nicht wie bisher an der -säule. Und wenn wir schon beim Ruder sind: Dessen Leichtgäng­igkeit überrascht­e uns doch sehr.

Allerdings braucht das nicht zu verwundern. Denn als Nissan 2008 die ersten GT-R nach Europa brachte, war der Leitspruch bereits: „Jeder soll das Auto überall und immer fahren können.“Das gilt auch noch für den neuesten GT-R. Selbst ein Führersche­inneuling kann den 570-PS-Boliden zum Einkaufen fahren und wird sich, wenn er in der Einstellun­g Komfort unterwegs ist, auch noch gut aufgehoben fühlen. Auf der anderen Seite zittern alle Gegner schon auf der Startlinie, wenn man sich nur mit dem GT-R daneben aufbaut.

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Die optischen Änderungen an der Front und der C-Säule sehen vermutlich nur eingefleis­chte GT-R-Fans. Der Neue ist um 20 PS stärker, aber auch dezent schwerer geworden.
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In diesen sechs künstlich belüfteten Koppeln leben 570 recht ungezähmte Pferde.

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