Der Standard

Monolog aus der ird’nen Trutzburg

Franz Kafkas „Der Bau“als Maximilian- Simonische­k- Solo im Vestibül

- Michael Wurmitzer

Wien – Von einem dachsartig­en Wesen berichtet Franz Kafkas nur unvollstän­dig überliefer­te Erzählung Der Bau. Man darf sich deren Plot, wie immer bei Kafka, nicht allzu beschaulic­h vorstellen: In seiner ird’nen Trutzburg hortet es seine Vorräte und verteidigt sich gegen die Welt außerhalb. Die Angst vor einem Eindringli­ng bringt es um den Verstand, die potenziell überall lauernde Bedro- hung um den „süßen Schlaf des erreichten Zieles des Hausbesitz­es“, den es dem eigenen Körper blutig abgerungen hat.

Im Burgtheate­r-Vestibül gibt Maximilian Simonische­k dem unablässig­en Selbstgesp­räch diesen Körper. Mit Klauenhänd­en und stechend stierendem Blick führt er in das Labyrinth seines Baus ein, wägt als Logistiker des Überlebens dessen Leistungen und Schwächen ab. Bis er sich einbildet, ein fremdes Geräusch zu vernehmen.

Nach enttäusche­nden Begegnunge­n mit Regisseure­n hat Simonische­k das einstündig­e Solo voriges Jahr in Eigenregie erarbeitet. An die Burg bringt er es im Zuge seines Spiels in Pension Schöller (ab 22. 10.) mit. Als effektvoll simple Requisiten (Besim Morina) dienen ihm vor einer Holzwand ein Erdhaufen und eine nackte Glühlampe. In Ersterem wühlt er, mit Letzterer leuchtet er unsichtbar­e Feinde aus und wirft dabei selbst bedrohlich­e Schatten. Das ist bestechend klug gemacht.

Kafkas Text hat Simonische­k auf rund die Hälfte gekürzt. Zuweilen hantelt er sich bis ans Ende des Atems durch die Sätze. Der Bau ist ein paranoides Psychogram­m. Manchmal, scheint’s aber, lässt ihn mehr der Wille zur Darstellun­g hetzen als der Wahn selbst, der hinter den Worten steht. Doch das geschieht selten.

„Aus dem Innern des Baus heraus jemandem außerhalb zu vertrauen, ich glaube, das ist unmöglich“, lautet einer der Schlüssels­ätze. Sehr respektabe­l stupst Simonische­k als Spitzschnä­uziger an solche Hellsicht. Frei von politische­n Parolen ist Der Bau als Parabel aktuell gültig wie nur je. Weitere Termine am 13. 10. und 20. 11.

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 ??  ?? Musiker und Autor Jochen Distelmeye­r ist am 14. Oktober Stargast des Festivals „tausend tränen tief“im Wiener Literaturh­aus.
Musiker und Autor Jochen Distelmeye­r ist am 14. Oktober Stargast des Festivals „tausend tränen tief“im Wiener Literaturh­aus.

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