Spaniens Sozialisten werden Rajoy weiter regieren lassen
Seit Weihnachten vorigen Jahres ist Spanien ohne gewählte Regierung – und Premier Mariano Rajoy nur geschäftsführend im Amt. Nun hat der Vorstand der Sozialisten entschieden, eine Minderheitsregierung des Konservativen zu dulden – gegen den Willen der Bas
Spaniens Sozialisten werden dem konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy nun doch eine zweite Amtszeit ermöglichen. Das beschloss der Kleine Parteitag des PSOE (Partido Socialista Obrero Español) am Sonntag in Madrid. 59 Prozent der 235 Anwesenden stimmten dafür, sich im Parlament der Stimme zu enthalten, um so Rajoy zu einer relativen Mehrheit und dem Verbleib im Amt zu verhelfen. Die Parlamentssitzung muss bis spätestens Ende des Monats stattfinden.
Anfang Oktober hatte ein anderer kleiner Parteitag Parteichef Pedro Sánchez zum Rücktritt gezwungen. Dieser hatte um jeden Preis am „Nein“zu Rajoy festhalten und Wege für eine alternative Mehrheit mit Unidos Podemos (UP) und mit nationalistischen Parteien aus Katalonien ausloten wollen. Die Regionalchefs des PSOE – allen voran Susana Díaz, jene der andalusischen Autonomieregierung – wollten diesen Weg aber auf keinen Fall mitgehen. Sie sind strikt gegen jedwede Regierungsbeteiligung von UP.
Die „Putschisten“– wie sie von vielen an der Parteibasis genannt werden – haben die wenigen Tage zwischen den beiden kleinen Parteitagen genutzt, um einen geschäftsführenden Parteivorstand mit Verteidigern der Duldung Rajoys zu besetzen und das Präsidium des zweiten kleinen Parteitags auszuwechseln. Abgestimmt wurde gestern, Sonntag, namentlich per Aufruf, um so genau festhalten zu können, wer zu welchem Lager gehört.
Die Debatte war heftig, die Stimmung angespannt. Insgesamt meldeten sich 54 Redner zu Wort, darunter viele Parteigrößen. Nur jene Landesvorsitzenden, die in ihrer Region mit Unterstützung von Podemos regieren, hielten sich zurück. Sie schickten ihre Stellvertreter vor. Auch diese verteidigten die Duldung Rajoys. Sie sprachen alle von der Verantwortung der Sozialisten für Spaniens Zukunft. Die Parlamentswahlen erneut zu wiederholen würde das Land in „eine anormale Situation führen“: Der PSOE drohe weiter an Stimmen zu verlieren.
Im Juni waren Wahlen notwendig geworden, nachdem nach den regulären Wahlen im Dezember 2015 weder Rajoy noch Sánchez in der Lage warten, eine Regierungsmehrheit zu finden.
Die Sozialisten werden nun also im Parlament zunächst gegen Rajoy stimmen; im zweiten Wahlgang – wenn eine relative Mehrheit reicht – wäre Rajoy aber gewählt, wenn sich zumindest elf Sozialsten der Stimme enthalten. Rajoy kann auf die Stimmen seines Partido Popular (PP) und jene der rechtsliberalen Ciudadanos (C’s) zählen.
Ringen um Parteidisziplin
Ob sich tatsächlich nur elf Parlamentarier enthalten werden oder doch die gesamte Fraktion, war vorerst unklar; ebenso, was mit allfälligen Abtrünnigen geschehen soll. Mehrere Abgeordnete, darunter alle aus Katalonien, haben bereits erklärt, auch im zweiten Wahlgang mit „Nein“stimmen zu wollen. Der geschäftsführende Vorstand hat den Katalanen damit gedroht, sie in diesem Fall aus den Parteistrukturen zu verbannen. Offiziell sind die katalanischen Sozialisten eine eigenständige Partei. Käme es zum Bruch, müsste der PSOE im spanischen Nordosten eine eigene Sektion aufbauen.
Dutzende Parteimitglieder protestierten während der Beratungen vor der PSOE-Zentrale in Madrid. In den vergangenen Wochen hatten sich hunderte Ortsvereine getroffen, um ein „Nein“zu Rajoy zu erwirken. Auf Initiative des Bürgermeisters des andalusischen Ortes Jun, José Antonio Rodríguez, wurden an der Basis 94.000 Unterschriften für einen sofortigen Parteitag und die Urwahl eines neuen Generalsekretärs gesammelt. Das ist mehr als die Hälfte aller Parteimitglieder. Laut Statuten müsste der Vorstand diesem Basisantrag stattgeben. Die Entscheidung lässt auf sich warten.
Susana Díaz mahnte in ihrer Rede „zur Einheit der Partei“, um „künftige Wahlen zu gewinnen“. Die Sozialisten stehen jetzt vor der schwierigen Aufgabe, ihre Glaubwürdigkeit als Oppositionskraft zurückzugewinnen, wollen sie nicht weitere Stimmen an Podemos verlieren.