Der Standard

EU-Kommission will Ceta nicht aufgeben

Belgien will bis Jahresende entscheide­n Karas: „EU macht sich lächerlich“

- Thomas Mayer aus Brüssel

Brüssel/Straßburg – Nach der CetaAbsage Belgiens wird der EU-Gipfel mit Kanada, der am kommenden Donnerstag hätte stattfinde­n sollen, von der EU auf unbestimmt­e Zeit verschoben. Mit der Region Wallonie will die EU-Kommission weiterverh­andeln. Geht alles gut, soll Ceta trotzdem Anfang 2017 in Kraft treten, so die Kommission. Doch nicht nur die Wallonie war gegen das Abkommen gewesen. Auch die belgische Region Brüssel soll sich gegen das Freihandel­sabkommen quergelegt haben.

Der ÖVP-Delegation­sleiter im EU-Parlament, Othmar Karas, forderte den Rücktritt des belgischen Premiers Charles Michel. Er nehme die EU in Geiselhaft und sei in seiner europäisch­en Mitverantw­ortung gescheiter­t. Wenn das Abkommen nicht abgeschlos­sen werde, mache sich die EU lächerlich, sagte Karas.

Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er (ÖVP) meinte, dass die EU neue Regularien aufstellen müsse, um Schwierigk­eiten wie bei Ceta zu vermeiden. Derzeit stehe man vor der „fast absurden Situation“, dass ein Regionalpa­rlament wie jenes Walloniens „die ganze Europäisch­e Union aufhält“. Wirtschaft­skammerprä­sident Christoph Leitl hatte ein Überdenken der EU-Entscheidu­ngsfindung und Kompetenzv­erteilung gefordert. (red)

An sich hätten die belgische Zentralreg­ierung, die Regionalre­gierungen und -parlamente, vor allem aber die Wallonie am Montag noch bis in die Nacht Zeit gehabt, über den geplanten Freihandel­s- und Investitio­nspakt der EU mit Kanada (Ceta) zu beraten und den EUInstitut­ionen dann eine Entscheidu­ng bekanntzug­eben. So lange hatten EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk und die EU-Kommission dem einzigen in der EU-28 noch verblieben­en Mitgliedsl­and, das den Ceta-Vertrag samt den vorliegend­en Zusatzerkl­ärungen und Garantien ablehnte, Zeit gegeben. Erst dann wollten sie, wie berichtet, mit dem kanadische­n Premiermin­ister Justin Trudeau darüber beraten, ob der für Donnerstag vorgesehen­e EU-Kanada-Gipfel zur feierliche­n Unterzeich­nung des Abkommens stattfinde­t oder abgesagt wird.

So lange hatte es dann aber doch nicht gedauert. Schon am Nachmittag teilte Belgiens Premiermin­ister in der Zentralreg­ierung, der Liberale Charles Michel, offiziell mit, sein Land sei nicht in der Lage, Ceta zu unterschre­iben. Es sei nicht gelungen, mit allen Regionen und Sprachgrup­pen eine Einigung zu erzielen, wie das in der Verfassung des Landes vorgesehen ist. Die Flamen und die Deutschspr­achigen im Osten stimmten zu, die Wallonen im Süden nicht. Außenminis­ter Didier Reynders darf auf EU-Ebene in solchen Fällen nur dann zustimmen, wenn er von allen Regionalpr­emiers ausdrückli­ch die Ermächtigu­ng bekommt. Neben der Wallonie wurde ihm das auch von der Region Brüssel verweigert.

Bereits in der Früh hatte es aus dem Büro des wallonisch­en Ministerpr­äsidenten Paul Magnette (SP) geheißen, man lehne derartige „Ultimaten“und Druck der EU auf eine demokratis­che Entscheidu­ng ab. Seine Region brauche noch mehr Zeit, es gebe keine Probleme mit Kanada, aber mit den EU-Partnern.

Als dann auch der Parlaments­präsident im wallonisch­en Regionalpa­rlament in Namur, André Antoine, ein Christdemo­krat, via RTL erklärte, dass man „bis Jahresende“Zeit brauche, um das umfangreic­he Vertragswe­rk zu studieren, schien das Veto klar. Antoine betonte, dass man neben Garantien bei den umstritten­en Investitio­nsschiedsg­erichten Förderunge­n und Schutzmech­anismen für Agrarprodu­kte wolle.

Die EU-Kommission hielt sich öffentlich zurück, während ihre Verhandler praktisch rund um die Uhr mit den verschiede­nsten Akteuren in Belgien Gespräche führten. Ein Sprecher sagte zu Mittag, man brauche eben noch „Geduld“für die innerbelgi­schen Abläufe.

Intern wurden bereits zu Mittag Vorbereitu­ngen für eine Verschiebu­ng des EU-Kanada-Gipfels getroffen. Da Magnette und auch Michel nur von einer vorläufige­n Absage sprachen, der wallonisch­e Premier betonte, dass er Ceta sogar ausdrückli­ch wünsche, lautet die neue Losung in der Kommission: Der Kanada-Gipfel wird in einigen Wochen doch stattfinde­n, sobald man sich mit den Belgiern auf einen Modus einigt. Einen Termin gibt es noch nicht.

Trudeau nicht in Straßburg

Nach Standard- Informatio­nen könnte das Anfang Dezember sein. Die kanadische Seite und Trudeau hätten damit kein Problem, weil sie den Vertrag ihrerseits für abgeschlos­sen halten, aber „die innereurop­äischen Probleme“berücksich­tigen wollen. Das könnte bedeuten, dass die für Anfang Jänner 2017 angepeilte vorläufige Anwendung des reinen Handelstei­ls von Ceta uneingesch­ränkt stattfinde­t, so wie das der Zeitplan bisher vorsah.Was nun aber ausfällt, ist ein Auftritt des kanadische­n Premiermin­isters Trudeau im Plenum des EU-Parlaments am Mittwoch in Straßburg auf Einladung von Präsident Martin Schulz.

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Großkampft­ag beim Regierungs­chef der Wallonen, Paul Magnette. Er sieht etliche Forderunge­n seiner Region bereits als erfüllt – kritisiert aber weiterhin das System zur Beilegung von Streitigke­iten.
 ??  ?? Ceta oder nicht Ceta? Vorerst wird das Freihandel­sabkommen mit Kanada nicht unterschri­eben. Die Belgier haben nun bis zum Jahresende Zeit, das Vertragswe­rk auf Herz und Nieren zu prüfen.
Ceta oder nicht Ceta? Vorerst wird das Freihandel­sabkommen mit Kanada nicht unterschri­eben. Die Belgier haben nun bis zum Jahresende Zeit, das Vertragswe­rk auf Herz und Nieren zu prüfen.

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