EU-Kommission will Ceta nicht aufgeben
Belgien will bis Jahresende entscheiden Karas: „EU macht sich lächerlich“
Brüssel/Straßburg – Nach der CetaAbsage Belgiens wird der EU-Gipfel mit Kanada, der am kommenden Donnerstag hätte stattfinden sollen, von der EU auf unbestimmte Zeit verschoben. Mit der Region Wallonie will die EU-Kommission weiterverhandeln. Geht alles gut, soll Ceta trotzdem Anfang 2017 in Kraft treten, so die Kommission. Doch nicht nur die Wallonie war gegen das Abkommen gewesen. Auch die belgische Region Brüssel soll sich gegen das Freihandelsabkommen quergelegt haben.
Der ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament, Othmar Karas, forderte den Rücktritt des belgischen Premiers Charles Michel. Er nehme die EU in Geiselhaft und sei in seiner europäischen Mitverantwortung gescheitert. Wenn das Abkommen nicht abgeschlossen werde, mache sich die EU lächerlich, sagte Karas.
Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) meinte, dass die EU neue Regularien aufstellen müsse, um Schwierigkeiten wie bei Ceta zu vermeiden. Derzeit stehe man vor der „fast absurden Situation“, dass ein Regionalparlament wie jenes Walloniens „die ganze Europäische Union aufhält“. Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl hatte ein Überdenken der EU-Entscheidungsfindung und Kompetenzverteilung gefordert. (red)
An sich hätten die belgische Zentralregierung, die Regionalregierungen und -parlamente, vor allem aber die Wallonie am Montag noch bis in die Nacht Zeit gehabt, über den geplanten Freihandels- und Investitionspakt der EU mit Kanada (Ceta) zu beraten und den EUInstitutionen dann eine Entscheidung bekanntzugeben. So lange hatten EU-Ratspräsident Donald Tusk und die EU-Kommission dem einzigen in der EU-28 noch verbliebenen Mitgliedsland, das den Ceta-Vertrag samt den vorliegenden Zusatzerklärungen und Garantien ablehnte, Zeit gegeben. Erst dann wollten sie, wie berichtet, mit dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau darüber beraten, ob der für Donnerstag vorgesehene EU-Kanada-Gipfel zur feierlichen Unterzeichnung des Abkommens stattfindet oder abgesagt wird.
So lange hatte es dann aber doch nicht gedauert. Schon am Nachmittag teilte Belgiens Premierminister in der Zentralregierung, der Liberale Charles Michel, offiziell mit, sein Land sei nicht in der Lage, Ceta zu unterschreiben. Es sei nicht gelungen, mit allen Regionen und Sprachgruppen eine Einigung zu erzielen, wie das in der Verfassung des Landes vorgesehen ist. Die Flamen und die Deutschsprachigen im Osten stimmten zu, die Wallonen im Süden nicht. Außenminister Didier Reynders darf auf EU-Ebene in solchen Fällen nur dann zustimmen, wenn er von allen Regionalpremiers ausdrücklich die Ermächtigung bekommt. Neben der Wallonie wurde ihm das auch von der Region Brüssel verweigert.
Bereits in der Früh hatte es aus dem Büro des wallonischen Ministerpräsidenten Paul Magnette (SP) geheißen, man lehne derartige „Ultimaten“und Druck der EU auf eine demokratische Entscheidung ab. Seine Region brauche noch mehr Zeit, es gebe keine Probleme mit Kanada, aber mit den EU-Partnern.
Als dann auch der Parlamentspräsident im wallonischen Regionalparlament in Namur, André Antoine, ein Christdemokrat, via RTL erklärte, dass man „bis Jahresende“Zeit brauche, um das umfangreiche Vertragswerk zu studieren, schien das Veto klar. Antoine betonte, dass man neben Garantien bei den umstrittenen Investitionsschiedsgerichten Förderungen und Schutzmechanismen für Agrarprodukte wolle.
Die EU-Kommission hielt sich öffentlich zurück, während ihre Verhandler praktisch rund um die Uhr mit den verschiedensten Akteuren in Belgien Gespräche führten. Ein Sprecher sagte zu Mittag, man brauche eben noch „Geduld“für die innerbelgischen Abläufe.
Intern wurden bereits zu Mittag Vorbereitungen für eine Verschiebung des EU-Kanada-Gipfels getroffen. Da Magnette und auch Michel nur von einer vorläufigen Absage sprachen, der wallonische Premier betonte, dass er Ceta sogar ausdrücklich wünsche, lautet die neue Losung in der Kommission: Der Kanada-Gipfel wird in einigen Wochen doch stattfinden, sobald man sich mit den Belgiern auf einen Modus einigt. Einen Termin gibt es noch nicht.
Trudeau nicht in Straßburg
Nach Standard- Informationen könnte das Anfang Dezember sein. Die kanadische Seite und Trudeau hätten damit kein Problem, weil sie den Vertrag ihrerseits für abgeschlossen halten, aber „die innereuropäischen Probleme“berücksichtigen wollen. Das könnte bedeuten, dass die für Anfang Jänner 2017 angepeilte vorläufige Anwendung des reinen Handelsteils von Ceta uneingeschränkt stattfindet, so wie das der Zeitplan bisher vorsah.Was nun aber ausfällt, ist ein Auftritt des kanadischen Premierministers Trudeau im Plenum des EU-Parlaments am Mittwoch in Straßburg auf Einladung von Präsident Martin Schulz.