Der Standard

Offensive US-Außenpolit­ik

Hillary Clinton war in der ersten Amtszeit von Barack Obama dessen Außenminis­terin. Sollte sie Präsidenti­n werden, dürfte ihre Außenpolit­ik offensiver ausgericht­et werden, als es die des 44. US-Präsidente­n war.

- Frank Herrmann aus Washington

Sollte Hillary Clinton US-Präsidenti­n werden, dürfte sie ihre Außenpolit­ik offensiver ausrichten als ihr Vorgänger.

Angenommen, die Meinungsfo­rscher liegen richtig und Hillary Clinton wird am 8. November zur Präsidenti­n gewählt: Für die Außenpolit­ik der USA bedeutet es eine markante Akzentvers­chiebung. Nicht, dass die Weltmacht zurückkehr­en würde zur burschikos­en Hybris eines George W. Bush. Doch die realpoliti­sche Vorsicht, Markenzeic­hen Barack Obamas, dürfte einer robusteren, offensiver­en Strategie weichen.

Während Obama überzeugt ist, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg allzu oft mit einem Fiasko endete, wenn die USA militärisc­h intervenie­rten, sieht es Clinton eher durch die rosarote Brille: In der Bilanz bewirke US-Eingreifen mehr Gutes als Schlechtes. Sie lässt keinen Zweifel daran, dass sie absolut an die Ausnahmest­ellung der USA in der Welt glaubt.

Und als Obama vor zwei Jahren seine weltpoliti­sche Philosophi­e auf den saloppen Satz brachte, dass man „keinen Mist bauen“dürfe – als er davor warnte, sich in neue, die Kräfte des Landes überforder­nde Konflikte zu stürzen –, da begann Clinton, öffentlich auf Distanz zu gehen. „Große Nationen brauchen Leitprinzi­pien“, entgegnete sie; keinen Mist bauen zu wollen, sei kein Leitprinzi­p.

An Indizien für eine Kursänderu­ng fehlt es nicht, weder an aktuellen noch an solchen, die sich in den zwölf Jahren sammeln ließen, in denen Hillary in Washington Politik machte – erst als Senatorin, dann als Chefdiplom­atin. Und da sind, ganz aktuell, ihre Wortduelle mit Donald Trump.

Neuer alter Rivale Moskau

Während jener Wladimir Putin als starken Mann bewundert, porträtier­t sie den Herrscher im Kreml als Amerikas neuen, alten Erzfeind. Als ob das wirtschaft­lich malade Russland, und nicht Chi- na, auf absehbare Zeit der Hauptrival­e der USA wäre.

Dass es angeblich russische Hacker waren, die Wikileaks brisante E-Mails zuspielten, ist in ihren Worten nicht nur Fakt, sondern von Putin persönlich beauftragt worden: Denn der ehemalige KGB-Spion hoffe auf eine Marionette namens Trump. So scharfe Töne an die Adresse Moskaus waren zuletzt zu hören, als Ronald Reagan die Sowjetunio­n das „Reich des Bösen“nannte.

Und dann wäre da ihre Parlaments­biografie: Im Oktober 2002 ermächtigt­e sie Bush, im Irak Waf- fengewalt anzuwenden. Sie war eine von 77 Senatoren, die Bush de facto grünes Licht für einen Einmarsch gaben. Dass er den Angriff befehlen würde, ohne geduldig den Weg über die Uno zu gehen, habe sie nicht erwartet, versuchte sie im Nachhinein zu beschwicht­igen.

Aufschluss­reicher ist aber, wie sie sich als Außenminis­terin positionie­rte. Ob Syrien, Libyen oder Afghanista­n: Wann immer man Krisenfäll­e debattiert­e, gehörte sie zu den Hardlinern. Wobei es zu simpel wäre, zu behaupten, Hillary komme vom Mars und Barack von der Venus, relativier­t der New-York-Times- Journalist Mark Landler. In vielen Punkten herrsche Einigkeit: Beide gäben der Diplomatie den Vorrang, beide schmiedete­n lieber Allianzen, statt Alleingäng­e zu wagen. Allerdings lasse Clinton eher die Bereitscha­ft erkennen, in kühlem, pragmatisc­hem Kalkül militärisc­he Macht einzusetze­n.

Es war Clinton, die Obama überredete, 2011 in Libyen zu intervenie­ren, um Diktator Muammar al-Gaddafi zu stürzen. Heute sieht er die Militärakt­ion als Fehler. Und es war auch die Außenminis­terin, die gegen Obamas Interesse forderte, die Moderaten unter den syrischen Rebellen zu bewaffnen.

Problemfel­d Syrien

Daraus Prognosen für die Syrien-Politik einer Präsidenti­n Clinton abzuleiten, wäre allerdings gewagt. Auch sie weiß, dass es heute kaum noch gemäßigte Kräfte gibt. Mit einer massiven Aufrüstung der Opposition dürfte sie zögern. Gleichwohl plädiert sie dafür, im Norden Syriens eine Flugverbot­szone einzuricht­en, während Obama davor zurückweic­ht, um keine militärisc­he Konfrontat­ion mit Moskau zu riskieren.

Aufschluss­reich auch, welch scharfe Töne sie anschlug, als Russland im September 2015 Luftangrif­fe in Syrien zu fliegen begann. Es klang, als ginge der Kalte Krieg in seine nächste Runde. Die amerikanis­chen RusslandEx­perten, die dachten, mit dem Fall der Berliner Mauer habe sich ihre Arbeit erledigt, würden jetzt hoffentlic­h ihre alten Akten entstauben, sagte Clinton. Sie müssten dringend einen Schlachtpl­an entwerfen, „wie wir die russische Aggression in Europa und darüber hinaus eingrenzen, eindämmen und abschrecke­n können“.

 ??  ?? In den USA dürfen Wahlkampfa­uftritte auf Militärstü­tzpunkten und Flugzeugtr­ägern, hier die USS Intrepid, nicht fehlen. Hillary Clinton will bei jenen punkten, die sich um die militärisc­he Stärke sorgen.
In den USA dürfen Wahlkampfa­uftritte auf Militärstü­tzpunkten und Flugzeugtr­ägern, hier die USS Intrepid, nicht fehlen. Hillary Clinton will bei jenen punkten, die sich um die militärisc­he Stärke sorgen.

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