„Hätte mir mehr Kühnheit von dieser Bundesregierung erwartet“
Zwei Jahre hat der Zeithistoriker Oliver Rathkolb mit einem Team von Experten an einem Konzept für ein Haus der Geschichte gearbeitet. Realisiert wird es vorerst nur teilweise.
Standard: Aus dem Haus der Geschichte (HGÖ) wurden gewissermaßen Räume der Geschichte. Rathkolb: Wenn man in traditionellen Raumstrukturen denkt, dann ist es ein Drittel weniger, ja. Wenn man in modernen Ausstellungsformen denkt, dann ist das eine Art Mutterschiff. Es gibt allein in der Neuen Burg viele Einrichtungen, mit denen man kooperieren kann. Die Stärke dieses Museums wird in der Interaktion liegen, mit Veranstaltungen, mit anderen Institutionen, natürlich mit den Bundesländern. Ich denke das HGÖ viel mehr als Netzwerkstruktur mit vielen Anbindungen, zum Beispiel an die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, wo es bereits ein konkretes Projekt gibt.
Standard: Es bleibt der Eindruck einer Husch-Pfusch-Aktion, nur um das Datum 2018 halten zu können. Rathkolb: Nein. Ich glaube, es ist jetzt ein guter erster Schritt erfolgt, um das Republiksjubiläum würdig zu begehen. Auf Beamtenebene hat man ja hervorragend ge- arbeitet, die Kosten für Tiefgarage, Bücherspeicher, Äußeres Burgtor bereits geschätzt. Nur von dieser Bundesregierung hätte ich mir wirklich mehr Kühnheit erwartet. In Summe wären für alle Projekte etwa 111 Millionen Euro vonnöten gewesen. Das wird nun wahrscheinlich stückweise über zehn bis 15 Jahre gestreckt realisiert werden und am Ende das Doppelte gekostet haben. Aber auch das ist Österreich, die paradoxe Republik.
Standard: Minister Drozda hat das „Provisorium“ja recht unverblümt als Wiener Tradition verkauft. Rathkolb: Ja, in Österreich sind große Projekte nur schwer zu realisieren. Wenn man sich an die Streitereien ums Museumsquartier erinnert, wo heute alle glücklich sind, dann läge doch auf der Hand, dass man sich etwas für den Heldenplatz überlegt. Aber der Mut für eine politische Entscheidung ist scheinbar nicht vorhanden. Das liegt ja nicht an einem einzelnen Minister, sondern an der gesamten Bundesregierung. Auch gegen das Konferenzzentrum in der Uno-City wurde damals heftig gewettert. Bruno Kreisky hat es gegen massivste Widerstände durchgezogen.
Standard: Wie denken Sie über einen Neubau auf dem Heldenplatz? Rathkolb: Das HGÖ wird sich sicher an keine Räume klammern. Aber das ist eine Entscheidung, die weit weg ist. Dazwischen sind auch Nationalratswahlen. Man könnte sich einstweilen etwas für das Äußere Burgtor überlegen.
STANDARD: Was muss der künftige HGÖ-Direktor können? Rathkolb: Wenn es ihm gelingt, die Prachtbauten ins 21. Jahrhundert zu holen, mit Licht, Video und Objekten, dann wird das ein Erfolg. Bei Betriebs- und Personalkosten darf nicht gespart werden, zumindest vier Millionen bis 2019.
Standard: Warum wollen Sie sich nicht bewerben? Rathkolb: Ich bin kein Ausstellungsdramaturg, als Historiker habe ich genug Zeit in das Projekt gesteckt. Im Internet wurde ich dafür als „Volksschädling“beschimpft. Da ziehe ich mich lieber in den Beirat zurück. Schön wäre eine Direktion vom Format Neil MacGregors, des Ex-Direktors des British Museum. Seine Art der Geschichtsvermittlung über Schlüsselobjekte ist extrem erfolgreich.