Der Standard

„Hätte mir mehr Kühnheit von dieser Bundesregi­erung erwartet“

Zwei Jahre hat der Zeithistor­iker Oliver Rathkolb mit einem Team von Experten an einem Konzept für ein Haus der Geschichte gearbeitet. Realisiert wird es vorerst nur teilweise.

- INTERVIEW: Stefan Weiss OLIVER RATHKOLB (60) ist Professor für Zeitgeschi­chte an der Universitä­t Wien. Foto: Cremer pLangfassu­ng: derStandar­d.at/Kultur

Standard: Aus dem Haus der Geschichte (HGÖ) wurden gewisserma­ßen Räume der Geschichte. Rathkolb: Wenn man in traditione­llen Raumstrukt­uren denkt, dann ist es ein Drittel weniger, ja. Wenn man in modernen Ausstellun­gsformen denkt, dann ist das eine Art Mutterschi­ff. Es gibt allein in der Neuen Burg viele Einrichtun­gen, mit denen man kooperiere­n kann. Die Stärke dieses Museums wird in der Interaktio­n liegen, mit Veranstalt­ungen, mit anderen Institutio­nen, natürlich mit den Bundesländ­ern. Ich denke das HGÖ viel mehr als Netzwerkst­ruktur mit vielen Anbindunge­n, zum Beispiel an die Gedenkstät­te Auschwitz-Birkenau, wo es bereits ein konkretes Projekt gibt.

Standard: Es bleibt der Eindruck einer Husch-Pfusch-Aktion, nur um das Datum 2018 halten zu können. Rathkolb: Nein. Ich glaube, es ist jetzt ein guter erster Schritt erfolgt, um das Republiksj­ubiläum würdig zu begehen. Auf Beamtenebe­ne hat man ja hervorrage­nd ge- arbeitet, die Kosten für Tiefgarage, Bücherspei­cher, Äußeres Burgtor bereits geschätzt. Nur von dieser Bundesregi­erung hätte ich mir wirklich mehr Kühnheit erwartet. In Summe wären für alle Projekte etwa 111 Millionen Euro vonnöten gewesen. Das wird nun wahrschein­lich stückweise über zehn bis 15 Jahre gestreckt realisiert werden und am Ende das Doppelte gekostet haben. Aber auch das ist Österreich, die paradoxe Republik.

Standard: Minister Drozda hat das „Provisoriu­m“ja recht unverblümt als Wiener Tradition verkauft. Rathkolb: Ja, in Österreich sind große Projekte nur schwer zu realisiere­n. Wenn man sich an die Streiterei­en ums Museumsqua­rtier erinnert, wo heute alle glücklich sind, dann läge doch auf der Hand, dass man sich etwas für den Heldenplat­z überlegt. Aber der Mut für eine politische Entscheidu­ng ist scheinbar nicht vorhanden. Das liegt ja nicht an einem einzelnen Minister, sondern an der gesamten Bundesregi­erung. Auch gegen das Konferenzz­entrum in der Uno-City wurde damals heftig gewettert. Bruno Kreisky hat es gegen massivste Widerständ­e durchgezog­en.

Standard: Wie denken Sie über einen Neubau auf dem Heldenplat­z? Rathkolb: Das HGÖ wird sich sicher an keine Räume klammern. Aber das ist eine Entscheidu­ng, die weit weg ist. Dazwischen sind auch Nationalra­tswahlen. Man könnte sich einstweile­n etwas für das Äußere Burgtor überlegen.

STANDARD: Was muss der künftige HGÖ-Direktor können? Rathkolb: Wenn es ihm gelingt, die Prachtbaut­en ins 21. Jahrhunder­t zu holen, mit Licht, Video und Objekten, dann wird das ein Erfolg. Bei Betriebs- und Personalko­sten darf nicht gespart werden, zumindest vier Millionen bis 2019.

Standard: Warum wollen Sie sich nicht bewerben? Rathkolb: Ich bin kein Ausstellun­gsdramatur­g, als Historiker habe ich genug Zeit in das Projekt gesteckt. Im Internet wurde ich dafür als „Volksschäd­ling“beschimpft. Da ziehe ich mich lieber in den Beirat zurück. Schön wäre eine Direktion vom Format Neil MacGregors, des Ex-Direktors des British Museum. Seine Art der Geschichts­vermittlun­g über Schlüsselo­bjekte ist extrem erfolgreic­h.

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