Warum Muscheln ins Mittelmeer immigrieren
Das Mittelmeer wird über den Suezkanal zunehmend durch gebietsfremde Tierarten besiedelt. Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung der Universität Wien geht der Entwicklung nach.
Wien – Der Fischer und seine Frau hatten letztlich Glück. Ihm war am Nachmittag im Meer vor dem israelischen Badeort Nahariya ein ungewöhnlicher Fang an den Haken gegangen. Einen solchen Fisch hatte der Mann noch nie gesehen, doch von der Größe her war das Tier ganz ordentlich – etwa einen halben Meter lang.
Das Abendessen schien gesichert. Zu Hause nahm er seine Beute aus. Kennern gilt die Leber vieler Fischspezies als Delikatesse, ebenso wie der Rogen. Doch als das Ehepaar diese Leckerbissen verspeiste, plagten sie schon bald Bauchkrämpfe und Taubheitsgefühle in Mund und Fingern. Sie eilten ins Spital. Doch die behandelnden Ärzte mussten zunächst rätseln.
Den Fisch, den die Patienten vorzeigten, kannten auch sie nicht. Erst eine E-Mail plus Foto an Zoologen der Hebräischen Universität Jerusalem brachte Klarheit. Der Fischer hatte einen giftigen Kugelfisch der Art Lagocephalus scleratus gefangen, einen Verwandten des berüchtigten japanischen Fugu. Eigentlich sind die Tiere im indopazifischen Raum beheimatet. Wie war dieses Exemplar ins Mittelmeer gelangt?
Obiger Fall ereignete sich 2008. Der gefangene Kugelfisch wies er- freulicherweise nur geringe Mengen des Giftes Tetrodotoxin auf, das Ehepaar konnte das Krankenhaus nach ein paar Tagen wieder gesund verlassen. Sie blieben allerdings nicht die einzigen Opfer des Lagocephalus scleratus im Mittelmeerraum. Die Spezies hat sich derweil bis nach Italien und Tunesien ausgebreitet. Als Einfallstor diente ihr höchstwahrscheinlich der Suezkanal.
Und sie ist nicht die einzige. Mehr als 443 verschiedene Tierund Pflanzenarten sind seit Eröffnung der Schifffahrtsstraße im Jahr 1869 über diesen Weg eingewandert. Fachleute bezeichnen sie als Lesseps’sche Migranten, benannt nach dem Architekten des Kanals, dem französischen Ingenieur Ferdinand de Lesseps.
Die Ansiedlung der Neulinge bleibt für die mediterranen Öko-