Der Standard

Leben im gleichmäßi­gen Fatalismus

Jan P. Matuszyńsk­is polnisches Familienka­mmerspiel „Ostatnia rodzina“

- Bert Rebhandl

Ein Arbeitszim­mer mit Aussicht – so viel immerhin kann der real existieren­de Sozialismu­s in Polen dem Künstler Zdzisław Beksiński geben. 1977 zieht er mit seiner Familie in ein Hochhaus in Warschau. Es ist eines dieser Quartiere, in denen die einst utopischen Hoffnungen einer anderen Gesellscha­ftsordnung konkret – und banal – geworden sind. Beksiński kommt mit seiner Familie (Ehefrau, Mutter, Schwiegerm­utter), weiter unten im Haus findet der labile Sohn Tomasz (Tomek) eine Bleibe. Vor allem bringen die Beksińskis ein riesiges Archiv: Tonbänder, Videos, Bücher, Schallplat­ten. Bald wächst der Materialie­nwust weiter, auf den Jan P. Matuszyńsk­i für seinen Film Ostatnia rodzina (The Last Family) zurückgrei­fen konnte.

Er erzählt die Geschichte der Künstlerfa­milie Beksiński nach. Die freie Welt im Westen, das Le- ben in Paris oder London, ist bei den Beksińskis immer schon präsent – vor allem in Form von Kulturgüte­rn. Wenn ein Besucher kommt, bringt er Schallplat­ten mit. Die werden dann sorgfältig ins Regal gepackt, wenn Tomek sie nicht gerade auf einen Inlandsflu­g nach Rszeszów mitnimmt, wo er als DJ die jungen Leute mit Ultravox zum Tanzen bringt.

Mit seinem Rauschebar­t und der Mähne (später Glatze) ist Tomek unsteter Gegenspiel­er seines Vaters, der zu den Dingen des Lebens eine eher sarkastisc­he Distanz hält. Beksiński legt alles in seine Bilder, eine Variante des Phantastis­chen Realismus, von der Matuszyńsk­i deutlich macht, dass es sich bei diesen Traumgebil­den um eine Kehrseite des technologi­schen Fortschrit­ts handelt.

Denn Beksiński war auch ein „early adopter“, er verwendete früh die neuen Geräte, die damals in Polen sehr teuer gewesen sein müssen – um Fragen der Ökono- mie kümmert sich Ostatnia rodzina allerdings auffällig wenig. Dass Beksiński als Maler bei einfachen Leuten populär war, legte aber wohl die Grundlage für das vergleichs­weise luxuriöse Leben der Familie in einer Neubauwohn­ung.

Ostatnia rodzina ist ein merkwürdig­es „period piece“in Innenräume­n, zwischendu­rch gibt es dann aber eine überrasche­nde, surreal wirkende Katastroph­ensequenz. Das Drehbuch von Robert Bolesto folgt meist tatsächlic­hen Ereignisse­n. Eine Verbindung zwischen dem inneren Leben des Meisters und seinen Bildern gibt es nicht. Stattdesse­n herrscht ein gleichmäßi­ger Fatalismus, der die tableauhaf­ten Bilder des Films prägt: Medien kommen, Menschen gehen, Konflikte erschöpfen sich, die Gebäude bleiben.

Dass draußen in der Welt zwischen 1977 und 2005 die Systeme stürzen, bekäme man kaum mit. Auch das kann man als Sieg der Kunst lesen. 28. 10., Urania, 18.00

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