Aus Blüten wurden Kästchen
Edles Wiener Jugendstilmobiliar von 1900
Wien – Die Qualität des Wiener Jugendstils wäre ohne die Zusammenarbeit mit genialen Handwerkern nicht zu verwirklichen gewesen. Der Architekt Joseph Maria Olbrich ließ seine typisch floralen Designs etwa von der Kunsttischlerei Michael Niedermoser herstellen. Die Möbelfabrik trug die Handschrift des Secessionisten auch noch weiter, als dieser Wien 1900 bereits verlassen hatte.
Eine Ausführung höchster Güte beweist der Stuhl mit Olbrichs Blumendekor, den Patrick Kovacs präsentiert. Der Kunsthändler hat aber auch zwei Armlehnstühle von Otto Wagner im Gepäck, die Wagners Mitarbeiter Marcel Kammerer für die Postsparkasse schuf. Die Bugholzmanufaktur Thonet nahm das Modell später in ihr Sor- timent auf. Mit einem Schreibtisch von Wagners Chefzeichner trumpft die Galerie bei der Albertina auf. Kammerer entwarf den Sekretär für den Erweiterungsbau des Grand Hotel Wiesler in Graz, für das er 1903/1904 auch Innendekoration und Ausstattung plante. Das aparte Möbelstück steht auf schwarzen Kugelfüßen, den weißen Korpus mit Granitplatte prägen Verzierungen im geometrischen „Kästchenstil“, der die Pflanzenformen des Secessionismus abgelöst hat. In derselben Façon kreierte Kammerer auch die Schränke der Gästezimmer.
Aus der Möbelfabrik Anton Herrgesell, die für die Wiener Werkstätte tätig war, stammt ein auf mehr als 2,4 Meter ausziehbarer Tisch, den die Galerie bei der Albertina mit sechs Sesseln mit Alpakanägeln und -schuhen anbietet. Die Wiener Galeristin Susanne Bauer rückt in der Hofburg einen Salontisch von Adolf Loos ins Rampenlicht.
Dieser Entwurf des berühmten Ornamentverachters wurde von der Firma Friedrich Otto Schmidt, die auch Loos’ Elefantenrüsseltisch anfertigte, in massivem Mahagoni ausgeführt. 1910 gestaltete Josef Hoffmann den Verkaufsstand der Möbelfabrik J. & J. Kohn auf der Internationalen Eisenbahn- und Verkehrsmittel-Schau in Argentinien. Eine Variante der damals entworfenen Sitzgarnitur, deren Teile seither als „Buenos Aires“-Stühle bekannt sind, ist nun bei Susanne Bauer zu haben. (ns)