Der Standard

Das Haus schont das Klima, der Mensch nicht

Österreich mag beim energieeff­izienten Wohnbau internatio­nales Vorbild sein. Aber in der Praxis spießt es sich oft beim Klimaschut­z, gerade wenn das Verhalten des Einzelnen eine Rolle spielt, zeigte sich beim einem Standard- Wohnsympos­ium.

- Eric Frey

Wien – Es gibt hierzuland­e kaum jemanden, der das Pariser Weltklimaa­bkommen, das am 4. November in Kraft treten wird, nicht begrüßt. Denn Österreich ist vom Klimawande­l aufgrund seiner alpinen Geografie besonders stark betroffen, sagt Ingmar Höbarth, Geschäftsf­ührer des Klima- und Energiefon­ds. Und auch im Wohnbau ist das Bewusstsei­n stark, dass trotz der großen Fortschrit­te der vergangene­n Jahre bei der Energieeff­izienz von Gebäuden noch viel geschehen muss, damit Österreich tatsächlic­h die ehrgeizige­n Klimaziele erreichen kann. Denn dafür müsste der Treibhausg­asausstoß der Gebäude bis 2050 praktisch auf null fallen.

Doch dieses Ziel wird in der Praxis doch nicht so leicht zu erreichen sein, zeigte sich deutlich beim 56. Standard-Wohnsympos­ium, das sich vergangene Woche unter dem Titel „Wandel oder Revolution“dem Spannungsf­eld zwischen Energiespa­ren, Kostendruc­k und Nutzerwüns­chen beim Erreichen der Pariser Klimaziele widmete. Niemand will die Erderwärmu­ng, aber die große Mehr- heit will auch nicht die radikalen Änderungen im Lebensstil, die eine effektive Klimapolit­ik im Wohnbau verlangt.

Der einfachste Teil ist die Erhöhung der Energieeff­izienz im Neubau, wo zumindest im gemeinnütz­igen Sektor das Niedrigene­rgieund sogar das Passivhaus zunehmend zum Standard werden. Allerdings gelten im frei finanziert­en Wohnbau die weniger strengen thermische­n Auflagen der Bauordnung. Das schafft eine soziale Schieflage, denn Energieeff­izienz erhöht zunächst die Baukosten und damit die Mieten.

Bei der Villa nicht so streng

„Warum muss ein russischer Multimilli­onär, der eine Villa um zehn Millionen Euro baut, nur die Bauordnung einhalten, während der Sozialhilf­eempfänger, der im 11. Bezirk im dritten Stock wohnt, einen Beitrag leistet, dass er noch energieeff­izienter wohnt?“, fragte ÖSW-Vorstand Michael Pech, einer der Redner auf der von der Fachzeitsc­hrift Wohnen Plus mitorganis­ierten Veranstalt­ung. Die Gemeinnütz­igen würden Leuchtturm­projekte mit Passivhaus­standard errichten, aber auch die wür- den nicht immer wie erhofft funktionie­ren, wenn etwa die Bewohner ihr Verhalten nicht anpassen und die Fenster im Winter stundenlan­g offenhalte­n.

Im Altbestand ist die Situation noch trister, denn die Sanierungs­rate liegt mit rund einem Prozent im Jahr weit unter dem Ziel von drei Prozent, sagte Höbarth, dessen Klimafonds seit mehreren Jahren Mustersani­erungen fördert. Und wird eine thermische Sanierung einmal durchgezog­en, dann sind die Erwartunge­n bezüglich der Einsparung­en bei den Bewohnern oft zu hoch – nämlich bis zu 90 Prozent der Energiekos­ten –, was dann zu Enttäuschu­ngen führt, erzählt Pech.

Problemati­sch ist auch die anhaltende Beliebthei­t von Einfamilie­nhäusern, die meist schlechter­e thermische Werte und deutlich mehr Fläche haben als Einheiten im verdichtet­en Wohnbau. Außerdem tragen sie zur Zersiedelu­ng und Versiegelu­ng der Landschaft bei und fördern über den verstärkte­n Autoverkeh­r den CO - Ausstoß. „In Österreich ist die Lage bei der Raumordnun­g und der Siedlungss­truktur besonders schlimm“, sagt der ehemalige Wiener Planungsst­adtrat und ExEU-Abgeordnet­e Hannes Swoboda. Aber wie man gerade am Land die Menschen dazu bringen kann, auf den Traum vom Eigenheim mit Rundumblic­k und Garten zu verzichten, darauf hat niemand eine wirklich gute Antwort. „Man kann in der Raumordnun­g Vorkehrung­en treffen, dass mehr verdichtet wird, aber die Versäumnis­se der Vergangenh­eit sind unumkehrba­r.“Denn abreißen, so der Konsens, kann man die vielen Einfamilie­nhäuser nicht. Und eine CO -Steuer, die die Bewohner die Vollkosten ihres Wohntraums spüren lassen würde, ist politisch kaum durchzuset­zen.

Problem Ölheizung

Dafür würden heute noch im Neubau Ölheizunge­n Förderunge­n erhalten, was Auswirkung­en auf Jahrzehnte habe, beklagte Christiane Brunner, Klimasprec­herin der Grünen: „Solche Förderunge­n sind unverantwo­rtlich. Ich bin sonst nicht für Überreguli­erung, aber beim Ölkessel schon.“

Das werde bald aufhören, versprach Niederöste­rreichs Landes- hauptmann-Stellvertr­eterin Johanna Mikl-Leitner, die auch für den Wohnbau zuständig ist. „Für uns ist es ganz klar, dass es neue Ölkessel nach dem Pariser Klimavertr­ag nicht mehr geben kann.“

Entscheide­nd für eine erfolgreic­he Klimapolit­ik im Wohnbau ist ein gesamtheit­licher Zugang, betonten Redner und Diskutante­n aus dem Kreis der mehr als 100 Teilnehmer: Wirtschaft­lichkeit, Energiebil­anz über den Lebenszykl­us, innovative architekto­nische Lösungen, Einbindung der Bewohner bei Klimamaßna­hmen – und immer wieder die Frage der Mobilität, die eng mit Wohnort und Siedlungss­truktur verknüpft ist. Die Wünsche der Bevölkerun­g dürften nicht der einzige Maßstab sein, sagt Swoboda. „Denn die Menschen handeln nicht immer nach dem, wovon sie wissen, dass es gut für sie ist.“

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