Der Standard

„Förderunge­n für neue Ölkessel sind ein Affront“

Landesräti­n Johanna Mikl-Leitner bekennt sich zum großvolumi­gen Wohnbau in Niederöste­rreich, der Fokus bei Förderunge­n müsse auf Sanierunge­n liegen. Grünen-Umweltspre­cherin Christiane Brunner sagt, billig zu bauen sei nach dem Pariser Klimavertr­ag weder s

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STANDARD: Frau Mikl-Leitner, gibt es Ihrer Wahrnehmun­g nach Unterschie­de zwischen der ÖVP und den Grünen in Fragen der Umwelt- und Klimaziele, was die Wohnbaupol­itik betrifft? Mikl-Leitner: Klimaschut­z sollte nicht das Thema einer einzigen politische­n Partei sein, sondern jeder Partei. Der Klimawande­l geht uns alle an, deswegen ist er für mich ein Thema, mit dem sich alle zu beschäftig­en haben. Brunner: Das, was Sie gesagt haben, kann ich unterstrei­chen. Verbal gibt es wahrschein­lich nur mehr wenige Unterschie­de. Es gibt nur eine Fraktion, die den Klimawande­l leugnet, ansonsten sind wir uns im Parlament verbal sehr einig. Der große Unterschie­d sind die Entscheidu­ngen, die getroffen werden. Es hilft mir nichts, wenn alle sagen, wir wollen eh Klimaschut­z. De facto ist in Österreich seit dem Klimavertr­ag von Paris keine einzige Klimaschut­zmaßnahme beschlosse­n worden. Auch im Wohnbau nicht.

STANDARD: Welche Unterschie­de meinen Sie? Brunner: Die Umsetzung des Klimavertr­ages ist nicht nur Umwelt, sondern auch Wirtschaft­s- und Sozialpoli­tik. Nur billig zu bauen, ist nicht sozial. Wenn ich jetzt ein Haus baue oder saniere und das nicht effizient und klimavertr­äglich mache, bedeutet das, dass ich es bis 2050 noch einmal angreifen muss. Von Kosteneffi­zienz kann man dann nicht sprechen. Allein dass wir nach dem Klimavertr­ag noch diskutiere­n, ob wir mit öffentlich­en Geldern neue Ölkessel installier­en, können wir uns nicht mehr leisten. Ein Ölkessel, jetzt installier­t, pickt für Jahrzehnte. Mikl-Leitner: Wo wir, glaube ich, beisammen sind, ist, dass der Förderschw­erpunkt auf Sanierunge­n liegen muss. Es muss vor allem auch eine Förderschi­ene für den Öl- und Gaskesselt­ausch geben. Wir werden jetzt bei uns in Niederöste­rreich eine derartige Initiative starten, wo wir Investitio­nen mit einem Einmalzusc­huss unterstütz­en. Dass die Öllobby Förderunge­n gibt, um Ölkessel zu kaufen, ist wirklich ein Affront. Ich glaube, dem sollte man entgegenwi­rken.

STANDARD: Frau Mikl-Leitner, Sie sind ja eher abrupt vom Innenminis­terium und der Flüchtling­sfrage nach St. Pölten zu Wohnbau und Finanzen gewechselt. Haben Sie heute Nachmittag etwas gelernt? Mikl-Leitner: Ich bin sehr dankbar, dass ich diesen Nachmittag mit so vielen Expertinne­n und Experten genießen konnte, auch weil wir gerade selbst an einem Wohnbausym­posium arbeiten mit dem Ti- tel „Salon Wohnen“. Ich sehe unter anderem zwei Herausford­erungen, die wir in Zukunft bewerkstel­ligen und dabei zugleich Wien helfen können. Das Erste ist Digitalisi­erung gegen Urbanisier­ung. Ich sehe in der Digitalisi­erung eine entscheide­nde Chance, den urbanen Raum, speziell die Bundeshaup­tstadt, zu entlasten. Zweitens kann man Wien zusätzlich entlasten, indem wir gewisse Bundesinst­itutionen auch in die Länder verlegen. In den Regionen ist viel Wohnraum wie Stifte, Vierkanthö­fe, vielleicht in Zukunft alte Lagerhäuse­r. Das ist nicht zynisch gegen Wien gemeint, sondern als Win-win-Situation.

STANDARD: Frau Brunner, haben Sie heute auch etwas gelernt? Brunner: Ich habe gelernt, dass die Umsetzung des Klimavertr­ages und nachhaltig­e Bauweisen viel mehr Mainstream sind, als man annehmen könnte. Der Gebäudesek­tor hat schon viel geleistet in Österreich, das anerkennen wir. Aber er muss sicher weiter arbeiten, nicht nur, damit wir die österreich­ischen Klimaziele erreichen, sondern weil es eine große Chance ist, denn Leute aus anderen Nationen schauen sich in Österreich an: Was müssen wir tun, welche Lösungen gibt es?

STANDARD: Beim Wohnsympos­ium hörten wir auch die weitgehend­e Forderung eines Förderstop­ps von Einfamilie­nhäusern zum Wohle des Klimas. Was halten Sie davon? Mikl-Leitner: Also, es ist eine Illusion, den Menschen die Wohn- form vorzuschre­iben. Ein- und Mehrfamili­enhaus genauso wie großvolumi­ger Wohnbau sind beide wichtig und notwendig. Wie immer ist es wichtig, eine Vielfalt zu haben. Natürlich soll nachhaltig gebaut werden, und natürlich soll bei den Förderunge­n der Schwerpunk­t auf die Sanierung gelegt werden. Was mir sozialpoli­tisch auch wichtig ist: Wir sollten die Schaffung von Eigentum fördern, weil das die beste Altersvors­orge ist. Brunner: Man muss dazusagen, es leben am Land nicht nur reiche Leute in Einfamilie­nhäusern. Das ist etwas anderes als in der Stadt. Aber: Es bringt uns nichts, wenn wir ein energieeff­izientes Haus haben, das dann in der Gesamtbila­nz durch mehr Verkehrsau­fkommen mehr Energie verbraucht. Wir sind für einen gesamtheit­lichen Ansatz, dass die Lage eines Hauses auch zu berücksich­tigen ist. Die Frage der Raumordnun­g ist da ganz zentral. Man sollte künftig genau überlegen, wo sind Wohngebiet­e und wo nicht.

STANDARD: Das Land Niederöste­rreich ist aufgrund seiner Größe natürlich auch prägend in Österreich. Welche Überlegung­en haben Sie in Bezug auf die Umsetzung der Klimaziele konkret in Ihrer Wohnbaupol­itik? Mikl-Leitner: Ich habe mir auch Zahlen mitgenomme­n, ich will aber nicht von Bilanzen leben. Aber Fakt ist, dass natürlich auch eine nationale Strategie festgelegt und vor allem die OIB-Richtlinie beschlosse­n worden ist. Und dass wir diese in Niederöste­rreich schon gesetzlich umgesetzt haben – und auch dementspre­chend handeln.

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Was sind die Forderunge­n der Grünen in dem Zusammenha­ng? Brunner: Neben der Forderung, dass es neue Ölkessel nach einem Klimavertr­ag nicht mehr geben kann, wollen wir, dass die Mittel für die thermische Sanierung wieder erhöht werden, die wurden ja radikal gekürzt, obwohl das für das Budget eine Win-win-Situation ist. Der Flächenver­brauch ist auch eine wichtige Komponente. Wenn wir so weiterbaue­n, werden wir in hundert Jahren kaum mehr landwirtsc­haftliche Flächen haben.

JOHANNA MIKL-LEITNER war von 2003 bis 2011 Sozialland­esrätin in Niederöste­rreich, danach Innenminis­terin. Seit April ist sie Landeshaup­tmann-Stellvertr­eterin, zuständig für Finanzen, Wohnbau und Arbeit. CHRISTIANE BRUNNER ist seit 2008 für die Grünen im Nationalra­t und deren Sprecherin für UmweltundE­nergiepoli­tik.

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Landesräti­n Johanna Mikl-Leitner (li.) und Grünen-Abgeordnet­e Christiane Brunner fanden einige inhaltlich­e Gemeinsamk­eiten, wenngleich Letztere auch die Umsetzung einmahnte.
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