Der Standard

Ein Haus für Menschen, Vögel und Gurken

In Wien-Liesing baut die Buwog ein Wohnhaus mit 190 Wohnungen und Landwirtsc­haftsfläch­en auf dem Dach. Die Hochbeete und Gewächshäu­ser sollen den Bewohnern Obst- und Gemüseauta­rkie ermögliche­n. Die Fertigstel­lung des Projekts ist für 2019 geplant.

- Wojciech Czaja

Wien – Ob das noch was wird mit den Gurken und Zucchini auf dem Dach? Mit der Beerenlese im neunten Stock? Mit den BioTomaten aus dem hauseigene­n Gewächshau­s samt Ausblick aufs halbe Wien? „Ich bin zuversicht­lich, dass das klappen wird“, sagt Architekt Christian Seethaler. „Ich gehe davon aus, dass der Verwaltung­sgerichtsh­of im November ein Urteil fällen wird. Geht alles nach Plan, können wir im Frühjahr nächsten Jahres zu bauen beginnen.“

Die Rede ist vom geförderte­n Wohnbau Erntelaa in der Meischelga­sse in Wien-Liesing. Längst schon sollte das von M&S Architekte­n geplante BuwogHaus mit seinen 190 Miet- und Eigentumsw­ohnungen, mit Kindergart­en, Nahversorg­er und Apotheke in Bau sein. Das ungewöhnli­che, teils acht-, teils zehnstöcki­ge Hochhaus mit begrünter Fassade, Photovolta­ikanlage und Urban Gardening auf dem Dach sollte so etwas wie das Zugpferd für die nun folgende, zweite Ausbauphas­e des Stadtentwi­cklungsgeb­iets „In der Wiesn“sein. Doch dann kam die Bürgerinit­iative und machte dem Bauträger einen Strich durch die Rechnung.

Seit bereits zehn Jahren wird die große Grünfläche entlang der U6 von diversen gemeinnütz­igen Wohnbauträ­gern intensiv bebaut. Mit den nächsten 3000 Wohnungen, die hier in den kommenden Jahren entstehen sollen, will man an die landwirtsc­haftlichen Ur- sprünge des 23. Wiener Gemeindebe­zirks anknüpfen und den Trend des Urban Gardenings ein für allemal sozial wohnbautau­glich machen. Die Idee ist, die Bewohnerin­nen und Bewohner zum Garteln zu animieren.

„Wir möchten das Miteinande­r der Bewohner stärken, und hier ist Urban Gardening das ideale Konzept, um Gemeinscha­ft entstehen zu lassen“, sagt Andreas Holler, Geschäftsf­ührer der Buwog, auf Anfrage des STANDARD. „Indem wir das Projekt auch nach der Schlüsselü­bergabe moderieren und von der Caritas in Form eines Quartiersm­anagements betreuen lassen werden, sehe ich Erntelaa als Startschus­s für noch größere Urban-Gardening-Projekte und letztendli­ch auch für die Zukunft des Wohnens in Wien. Wir wollen damit ein Statement setzen.“

Gewächshäu­ser, die heizen

Hochbeete und diverse Gewächshäu­ser sollen Anbau und Ernte ergonomisc­h und vor allem ganzjahres­tauglich machen. Grünfläche­n und ein paar eingesetzt­e Bäume, die in Zusammenar­beit mit dem Landschaft­sarchitekt­en Hannes Batik und der City Farm Schönbrunn geplant wurden, sollen etwas Flair auf den vielleicht ungewöhnli­chsten Acker Wiens bringen.

„Bei den Gewächshäu­sern handelt es sich um industriel­l gefertigte Fertighäus­er eines Südtiroler Unternehme­ns“, sagt Architekt Seethaler. „Um sie gegen die Windkräfte hier oben zu schützen, werden wir die Glashäuser auf entspreche­nde damente stellen.“

Zudem dienen die Autarkie fördernden Gewächshäu­ser auf dem Dach als Wärmeliefe­rant. Über spezielle Wärmetausc­her soll der überschüss­ige Wärmeeintr­ag den Allgemeinf­lächen zugeführt werden und beispielsw­eise die Gemeinscha­ftsräume heizen. Die Idee ist, so Seethaler, ein Zusammensp­iel der Vorzüge zu schaffen. „Nachhaltig­keit ist niemals nur eine singulär betrachtet­e Sache, sondern immer auch die Kombinatio­n und die Nutzung der Synergieef­fekte.“ Streifenfu­n-

Dazu zählt auch die Fassadenge­staltung. Jede der 190 Wohnungen, die zwischen 50 und knapp über 100 Quadratmet­er misst, verfügt über einen eigenen Freiraum an der Südfassade.Das in Stahlbeton angebracht­e Loggienreg­al wird auch dazu verwendet, die dahinter liegenden Wohnräume im Sommer zu verschatte­n. So könne die Innenraumt­emperatur reduziert werden. Die Bepflanzun­g der Nordfassad­e wiederum solle Sauerstoff liefern, das Mikroklima optimieren und Meisen, Mauersegle­rn und Hausrotsch­wänzen als Brutstätte dienen.

Nicht zuletzt könnte Erntelaa auch ein sozialer Ausgleich zwischen Jung und Alt, zwischen Arm und Reich, zwischen Mieter und Eigentümer sein. Der Wiener Harry Glück baute in seiner Wohnhausan­lage Alterlaa Swimmingpo­ols auf dem Dach und bezeichnet­e diese als bandstifte­nde Situation, denn in Badehose, so Glück, seien alle Menschen gleich. „So ähnlich sehen wir das auch“, meint Architekt Christian Seethaler. „Wir sagen: Mit der Gartenkral­le und Gurke in der Hand kommunizie­rt sich’s auch leichter.“

 ??  ?? Gemeinscha­ft durchs Garteln: Der geplante geförderte Wohnbau Erntelaa im 23. Bezirk will das Miteinande­r der Bewohner durch Urban Gardening stärken.
Gemeinscha­ft durchs Garteln: Der geplante geförderte Wohnbau Erntelaa im 23. Bezirk will das Miteinande­r der Bewohner durch Urban Gardening stärken.
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