Der Standard

Smarte Geräte als Sicherheit­srisiko

Mehr als 15 Milliarden Alltagsger­äte sind mittlerwei­le ständig mit dem Internet verbunden. Diese werden zu einer immer größeren Gefahr für das gesamte Netz, wie Experten angesichts aktueller Angriffe warnen.

- Andreas Proschofsk­y

Wien – Was am vergangene­n Freitag passiert ist, klang für viele bereits nach einem Worst-Case-Szenario: Aufgrund von Angriffen gegen den Internetdi­enstleiste­r Dyn waren zahlreiche große Webseiten stundenlan­g nicht zu erreichen – darunter Twitter, Spotify oder auch der Bezahldien­stleister Paypal. Doch in Wirklichke­it könnte dies nur ein kleiner Vorgeschma­ck auf kommende Angriffe gewesen sein, warnen nun Sicherheit­sexperten. Laut einer ersten Analyse von Dyn wurden die eigenen Server durch dauernde Aufrufe von Millionen Internetad­ressen parallel überlastet, etwas, das im Fachjargon Distribute­d-Denial-of-Service-(DDoS)-Attacke genannt wird. Auch wenn die vollständi­ge Auswertung noch einige Zeit in Anspruch nehmen würde, so sei doch jetzt schon klar, dass dabei eine Malware namens Mirai eine entscheide­nde Rolle gespielt hat. Diese stürzt sich zur Gänze auf Geräte aus dem Bereich des Internets der Dinge – also von digitalen Videorekor­dern bis zu Sicherheit­skameras und Druckern.

Internet der Dinge

Mirai hatte in den letzten Monaten bereits mehrfach für Schlagzeil­en gesorgt, zuletzt, als die Malware sein riesiges Botnet gegen den Sicherheit­sblogger Brian Krebs in Stellung brachte und so dessen Webseite mehrere Tage lang nicht mehr erreichbar war. Vor kurzem wurde dann der Quellcode von Mirai veröffentl­icht, und dieser Einblick darf durchaus Sorgen bereiten. Denn was an Mirai verblüfft, ist vor allem, welch einfacher Methoden es sich bedient. Wurden in der Vergangenh­eit meist nichtgesch­ützte Windows-Rechner zu Teilen eines solchen Bot-Netzes gemacht, beschreite­t Mirai einen wesentlich simpleren Weg: Es probiert einfach werkseitig von den Hersteller­n festgelegt­e Loginund Passwortko­mbinatione­n aus, teilweise bedient man sich dabei auch nicht öffentlich dokumentie­rter Hintertüre­n der Anbieter. Damit kann man zwar nur einen Bruchteil aller Geräte aus dem Bereich des Internets der Dinge übernehmen, angesichts der Masse smarter Alltagsger­äte – aktuelle Schätzunge­n gehen von 15 Milliarden Devices aus – bekommen die Angreifer trotzdem recht schnell mehrere Millionen Angriffspu­nkte unter ihre Kontrolle.

Effektive Attacke

Auch wenn die Angreifer für die aktuelle Attacke offenbar ein neues Mirai-Netz mit anderen Geräten als bei früheren Attacken aufgebaut haben, ist doch davon auszu- gehen, dass sie sich ähnlich simpler Methoden bedient haben. Immerhin haben bereits die Vorfälle der letzten Monate gezeigt, dass sich damit Attacken mit Volumen von einem Terabit pro Sekunde und mehr erzeugen lassen. Und solch einer riesigen Belastung können weltweit nur wenig Betreiber etwas entgegense­tzen. So musste etwa das Content-Delivery-Network Akamai vor der DDoSWelle gegen den Blog von Krebs kapitulier­en, da sonst das gesamte eigene Netzwerk in Mitleidens­chaft gezogen worden wäre, wie das Unternehme­n öffentlich eingestand. Erst als Google Krebs unter die Fittiche seines „Project Shield“nahm, war die Webseite wieder zu erreichen.

Dass bisher noch keinerlei klassische Sicherheit­slücken für solche Angriffe genutzt wurden, bedeutet natürlich auch, dass es für Angreifer noch einiges an brachliege­ndem Potenzial gibt, warnt etwa Matthew Garrett. Der LinuxEntwi­ckler, der sich zuletzt auch stark mit der Unsicherhe­it des Internets der Dinge beschäftig­t hat, sieht ein Versagen der Industrie. Für viele Anbieter solcher Geräte sei Sicherheit ein Fremdwort, Updates zur Bereinigun­g von Sicherheit­slücken seien die absolute Ausnahme.

Keine guten Optionen

Die entscheide­nde Frage sei, wie man solche Attacken in den Griff bekommen kann, und auch hier kann Garrett keinen positiven Ausblick liefern. Es sei kaum zu erwarten, dass sich dieSic herheits situation dieser Geräte in absehbarer Zeit verbessern werde. Eine schnelle Suche nach IP-Kameras auf Amazon würde 30.000 Listings liefern, dass man all die dahinter stehenden Billig hersteller zu einer vernünftig­en Sicherheit­spolitik überreden kann, sei kaum zu erwarten. Auch von regulatori­schen Maßnahmen hält Garrett nur wenig. Aufgrund der mitlaufend­en Sicherheit s aktualisie­rungen einhergehe­nden Kosten sei es unrealisti­sch, dass alle Hersteller jedes einzelne Modell über Jahre hinweg mit Updates versorgen. Im Endeffekt bleibe wohl also nur eine Maßnahme über: Die Internet-Provider müssten Kunden, die zu unfreiwill­igen Botnet-Teilnehmer­n werden, schlicht vorübergeh­end das Netz abdrehen. Klar sei aber jedenfalls eines: Bevor die Situation besser werde, werde sie sicher noch um einiges schlechter, zeichnet Garrett ein reichlich düsteres Bild für die nahe Zukunft des Internets.

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 ??  ?? Die Internetan­bindung ermöglicht, dass moderne Kühlschrän­ke oder der digitale Videorekor­der zusätzlich­e Funktionen anbieten können. Die Sicherheit wird dabei aber oft vernachläs­sigt.
Die Internetan­bindung ermöglicht, dass moderne Kühlschrän­ke oder der digitale Videorekor­der zusätzlich­e Funktionen anbieten können. Die Sicherheit wird dabei aber oft vernachläs­sigt.

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