Der Standard

Special Program: The Kinks im Kino

Mit „Kinkdom Come“widmet die Viennale der britischen Rockband The Kinks ein Special Program. Zu sehen sind zwei Dokumentat­ionen von Julien Temple sowie zwei filmische Versuche von Ray Davies.

- Frank Arnold

Woran erinnert man sich, wenn man den Namen der Rockgruppe The Kinks hört? An das verzerrte Riff, mit dem ihr Gitarrist Dave Davies 1964 den Song You really got me eröffnete, an die sarkastisc­hen Texte von Ray Davies, der Kleinbürge­ridyllen präzise beschrieb, oder an die Ohrwürmer, die sie mit Songs wie Waterloo Sunset, Sunny Afternoon oder später mit Lola oder Apeman produziert­en?

Das letzte Album der Band erschien vor 19 Jahren, aber die Fans dürfen sich immer wieder über erweiterte Neuausgabe­n früherer Arbeiten freuen, während die Brüder nach wie vor mit Soloprojek­ten aktiv sind.

Hatred (A Duet) heißt einer der Songs auf ihrem späten Album Phobia, und die Hassliebe zwischen den Brüdern Davies ist tatsächlic­h legendär. Immerhin bat vor knapp zwei Jahren Dave bei einem Auftritt in London seinen Bruder auf die Bühne, gemeinsam intonierte­n sie einen ihrer Klassi- ker. Zusammen vor eine Filmkamera wird man sie aber wohl nie wieder bekommen.

So hat Julien Temple, der bereits 1986 das Musikvideo Come Dancing mit den Kinks drehte und im selben Jahr in seinem Spielfilm Absolute Beginners Ray Davies als ordnungsli­ebenden Kleinbürge­r besetzte, 2010 mit Imaginary Man einen abendfülle­nden Porträtfil­m über Ray gedreht, und im Jahr darauf mit Kinkdom Come einen über Dave – konträr und gleichzeit­ig sich ergänzend.

Wilde Traditione­n

Während Ray in Imaginary Man im Norden Londons die Stätten seiner Kindheit und Jugend aufsucht, sehen wir Dave – den man infolge eines Schlaganfa­lls im Jahr 2004 nicht unbedingt wiedererke­nnt – in Kinkdom Come die malerisch-wilde Küstenland­landschaft des südenglisc­hen Exmoor durchschre­iten, in der er sich vor längerer Zeit niedergela­ssen hat, was gut zu seinen spirituali­stischen Bekenntnis­sen passt.

„I did the party and Ray wrote about that“, formuliert Dave an einer Stelle – in den frühen Jahren war er der Wilde, wurde von der Schule verwiesen, weil er mit seiner Freundin rummachte, war später ein Dedicated Follower of Fashion (den Ray im gleichnami­gen Hit 1966 beschrieb), hatte 1967 mit Death of a Clown und Susannah’s Still Alive auch erfolgreic­he Solohits, stand aber immer im Schatten seines drei Jahre älteren Bruders.

Ihre Rivalität trugen die beiden auch in mehreren autobiogra­fischen Büchern aus: Rays X-Ray (1995) konterte Dave mit Kink (1996), woraufhin Ray Waterloo Sunset (1997) und später Americana (2013) nachlegte. In Imaginary Man ist das allerdings kein Thema – vielleicht gar Rays Bedingung für das Zustandeko­mmen des Films? –, in dieser Reise in seine Vergangenh­eit erzählt er vom Blues, der bereits als Arbeiterki­nd sein Interesse an der Musik weckte, ebenso von der spezifisch britischen Music-Hall-Tradition, die in vielen seiner Songs aufscheint.

Die Ruhe, wenn er allein am Klavier sitzt oder von einem Hügel auf London herabblick­t, konterkari­ert der Film mit (zu) vielen kurzen Clips aus zeitgenöss­i- schem Material. Immer wieder kommt Ray auf seine Songs zurück und erinnert daran, dass auch einschmeic­helnde Melodien wie jene von Waterloo Sunset oder Sunny Afternoon durchaus düstere Texte transporti­eren, deren Interpreta­tion er allerdings dem Hörer überlässt.

Musiker und Literat

Dass er selbst auch filmisches Talent besitzt, hat Ray Davies übrigens schon 1984 mit dem einstündig­en Fernsehmus­ical Return to Waterloo bewiesen, in dem ein Mann bei der täglichen Zugfahrt aus dem Vorort zu seinem Arbeitspla­tz in der Londoner City Gedanken und Fantasien nachhängt. Neun Jahre später inszeniert­e er mit Weird Nightmare. A Tribute to Charles Mingus eine abendfülle­nde Dokumentat­ion, die ebenfalls von der Gegenwart – von Aufnahmen zu einem Tribute-Album an den einflussre­ichen Jazzmusike­r – in die Vergangenh­eit und in dessen Leben zurückblen­det.

Nachdem Bob Dylan den Nobelpreis für Literatur bekommen hat, könnten in Großbritan­nien die für die Vergabe von Literaturp­reisen Verantwort­lichen darüber nachdenken, Ray Davies ähnlich zu würdigen. Den Ehrentitel „Commander of the British Empire“bekam er von der britischen Königin bereits immerhin verliehen. „Kingdom Come: Dave Davies“, 27. 10. „Ray Davies: Imaginary Man“, 28. 10. „Return to Waterloo“, 29. 10. „Weird Nightmare. A Tribute to Charles Mingus“, 30. 10., jeweils Urania, 15.30

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 ??  ?? Zwei Filme musste Julien Temple über die zwei Kinks-Brüder drehen, denn einen, in dem beide auftreten, hätte es nie gegeben: Das macht aus „Kinkdom Come“einen ganzen Film über eine halbe Band.
Zwei Filme musste Julien Temple über die zwei Kinks-Brüder drehen, denn einen, in dem beide auftreten, hätte es nie gegeben: Das macht aus „Kinkdom Come“einen ganzen Film über eine halbe Band.

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