Der Standard

Phrasen hinterfrag­en am Nationalfe­iertag

„Im Herzen der Demokratie“– ein Projekt von Jacqueline Kornmüller im Parlament

- Margarete Affenzelle­r

Wien – Am Nationalfe­iertag (und noch heute, Donnerstag) steht das Parlament allen Bürgerinne­n und Bürgern offen. Man kann die Protagonis­ten der Demokratie aufsuchen, auch die Präsidenti­n des Nationalra­ts. Man kann sich – die Warteschla­nge ist lang – am Rednerpult fotografie­ren lassen oder das ehemalige Teestübche­n des Kaisers aufsuchen.

Der Besucherst­rom wird auf dieser Reise ins Herz der Demokratie auch auf literarisc­he und musikalisc­he Positionen stoßen, die Regisseuri­n Jacqueline Kornmüller und ihre Gruppe „wenn es soweit ist“in Kooperatio­n mit dem Parlament im Gebäudeinn­eren installier­t haben. Autorinnen und Autoren haben Texte zum Begriff Demokratie verfasst, ähnlich den Vorgängera­rbeiten der Gruppe (z. B. Ganymed boarding im Kunsthisto­rischen Museum 2010).

Wer gleich beim Eingang in der großen Säulenhall­e sein Kreuz für die Demokratie gemacht hat, kriegt von einer Schauspiel­erin Artikel 1 der UN-Menschenre­chtscharta zugeflüste­rt: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“Eine vielfach mit Füßen getretene Übereinkun­ft, für die einzustehe­n sich jeder mündige Bürger aufgerufen fühlen sollte.

Am Beginn des Theaterpro­jekts steht also der Imperativ, der zentral ausgegeben­e Aufruf zum Selberdenk­en und -handeln. Und er wird an vielen Stationen dieses Theaters neu aufgegriff­en und wiederholt. Wer gleich rechts abbiegt, bekommt mit, wie Juli Zeh in Die Demokratie ist die Frau von Vater Staat mit Missverstä­ndnissen der Demokratie aufräumt. Ein demokratis­cher Staat sei etwa kein „Selbstbedi­enungslade­n“und zuallerers­t auch nicht dazu da, „eigene Bedürfniss­e zu befriedige­n“, macht Schauspiel­erin Ulli Maier am Sitzungsti­sch klar.

In Franz Schuhs Strenger Kammer der Phrasen (vulgo Historisch­er Sitzungssa­al) schäumt die Opposition so nachhaltig wie Österreich­s bestes Bier (Sona McDonald, Katharina Stemberger), und im Teesalon beklagt die Schauspiel­erin Katrin Grumeth mit den Worten Angelika Reitzers (Die Finsternis aufhalten) Erfindunge­n wie die „Notstandsv­erordnung“. Das Parlament und mit ihm sein Dritter Nationalra­tspräsiden­t müssen sich indes die Beschreibu­ng „deutschnat­ionaler Kornblumen­träger“( Meister Eder und sein Publikum von Clemens J. Setz) unter die Nase reiben lassen, während Hofer selbst wenige Zimmer weiter Fans empfängt.

Es gehört zum unabdingba­ren Instrument­arium einer Demokratie, sich selbst kritisch zu hinterfrag­en. Insofern ist Im Herzen der Demokratie eine notwendige Stimmenins­tallation zum Nationalfe­iertag – zumal in populistis­chen Zeiten wie diesen. Neben den sachlichen Redeformen rührt Vishan Magomadov mit seiner Interpreta­tion von Paulus Hochgatter­ers Ein Fröhliches Lied (nach Ralph Benatzkys Im Weißen Rössl am Wolfgangse­e) ans Herz.

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Alma und der Chorus sine nomine am Nationalfe­iertag in der Säulenhall­e des Parlaments als Teil des Projekts „Im Herzen der Demokratie“.

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