Der Standard

Kritik an Globalisie­rung

Die Globalisie­rung ist auf beiden Seiten des Atlantiks unter Beschuss. Viele Ökonomen warnen vor einer Politik der Abschottun­g. Eine neue Studie der Wiener Denkfabrik WIIW bestärkt Gegner des Freihandel­s. Dieser habe seit 1960 nicht zu mehr Wachstum gefüh

- Andreas Sator

Eine Studie des Wiener Instituts WIIW behauptet, dass der Freihandel seit 1960 dem Wachstum weltweit geschadet hat.

Wien – Die Globalisie­rung der vergangene­n Jahrzehnte hat keinen Beitrag dazu geleistet, die Menschen rund um die Welt reicher zu machen. Wenn überhaupt, hat sie das Wirtschaft­swachstum negativ beeinfluss­t. Zu diesem umstritten­en Ergebnis kommt eine Arbeit des Wiener Instituts WIIW, das im Vorjahr als fünftbeste wirtschaft­liche Denkfabrik der Welt ausgezeich­net wurde.

Die Studie könnte weiteres Öl ins Feuer der weltweiten Globalisie­rungskriti­k gießen. Die auf beiden Seiten des Atlantiks zu beobachten­de Abschottun­gstendenze­n haben zuletzt fast das Handelsabk­ommen Ceta zu Fall gebracht und liefern Rechtspopu­listen die Basis für ihre Wahlerfolg­e.

Der Autor der Studie, Leon Podkaminer, widerspric­ht mit seiner Arbeit der vorherrsch­enden Meinung in der Wissenscha­ft, wonach der globale Handel mit Gütern und Dienstleis­tungen durch Spezialisi­erung und mehr Konkurrenz die Effizienz steigert und damit Wachstum generiert.

„Freihandel hat natürlich seine positiven Seiten“, sagt Podkaminer im STANDARD- Interview, „diese werden aber durch die Schattense­iten der Globalisie­rung mehr als ausgeglich­en.“Der zunehmende Abbau an Grenzen für Güter und Kapital führe zu Ungleichge­wichten und drücke die Löhne.

Podkaminer zeigt in seiner Arbeit, dass das Pro-Kopf-Wachstum der Weltwirtsc­haft seit den 1960ern kontinuier­lich zurückgega­ngen ist. Gleichzeit­ig sei die wirtschaft­liche Integratio­n aber stark vorangetri­eben worden. In einer statistisc­hen Analyse findet er keinen positiven Zusammenha­ng zwischen Welthandel und Wirtschaft­swachstum.

Konkurrenz unter Arbeitern

Durch die Liberalisi­erung der Kapitalmär­kte komme es immer öfter zu einem starken Auf und Ab der Währungen, was Firmen das Leben schwermach­e. Nehme man noch die überall sinkende Lohnquote in Betracht, die durch die gestiegene Konkurrenz der Arbeiter verursacht sei, müsse man der Globalisie­rung unter dem Strich ein negatives Zeugnis ausstellen.

Das Wachstum Chinas, das Befürworte­rn der Globalisie­rung als Erfolgsbei­spiel dient, sei lediglich auf Kosten der westlichen Welt zustande gekommen. Dort sei das Wachstum deshalb gesunken und die Arbeitslos­igkeit gestiegen.

Warum kommt Podkaminer zu einer anderen Ansicht als viele andere Ökonomen? „Das ist einfach, die Fakten stützen die Mainstream­sicht nicht.“Die Modelle vieler Forscher, die Freihandel große Wachstumse­ffekte zuschreibe­n, seien mit der Realität nicht vereinbar und würden auf falschen Annahmen fußen.

Aus seiner Studie lasse sich eine simple Schlussfol­gerung ziehen, sagt Podkaminer. „Wir brauchen das Gegenteil von Ceta und TTIP. Noch mehr Freiheiten führen zu noch mehr Volatilitä­t.“Global müsse man die Kapitalflü­sse wieder steuern können, so wie im Bretton-Woods-System bis in den 1970ern. Bis dahin haben viele Länder ihre Währung an den Wert von Dollar und Gold gekoppelt.

Weil die Studie neu ist, gibt es noch keine Stellungna­hmen von anderen Ökonomen. Axel Dreher von der Uni Heidelberg, der sich viel mit der Wirkung der Globalisie­rung beschäftig­t, hält das Ergebnis aber für nicht sehr plausibel. „Der Stand der Forschung ist, dass Handel einen sehr positiven Effekt auf das Wachstum hat“, sagt er zum STANDARD.

Der globale Austausch an Gütern, Krediten, Kultur und Ideen wirke unter dem Strich sehr positiv. Ein Problem sei eher, dass dieser seit Jahren stagniere.

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Die Weltwirtsc­haft als rutschiges Parkett: Die Globalisie­rung macht es Ländern immer schwerer, die Balance zu halten, besagt eine Studie.

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