Der Standard

Barack Obama am „Geburtsort der Demokratie“

Donald Trumps Wahlsieg quält ihn: Das ist beim ersten Tag von Barack Obamas Besuch in Athen deutlich geworden. Der scheidende US-Präsident sprach über Ängste in der Gesellscha­ft und stärkte Tsipras den Rücken.

- Markus Bernath aus Athen

Mit dem Bekenntnis zu fester Freundscha­ft hat der scheidende US-Präsident Barack Obama (re.) am Dienstag seinen viertägige­n Besuch in Griechenla­nd und Deutschlan­d begonnen: „Wir glauben, dass ein starkes, vereintes und wohlhabend­es Europa nicht nur gut für Europa ist, sondern auch für die Welt und die USA.“Zu einem starken Europa gehöre auch Griechen- land, das er gegen Befürworte­r einer allzu starken Austerität­spolitik in Schutz nahm: „Sparpoliti­k allein bringt keinen Wohlstand.“Worte, die Premier Alexis Tsipras (li.) gern hörte. Heute, Mittwoch, hält Obama am „Geburtsort der Demokratie“eine Grundsatzr­ede, anschließe­nd fliegt er weiter nach Berlin.

Es sind Worte wie Honig für Alexis Tsipras. „Sparpoliti­k allein bringt keinen Wohlstand“, sagt Barack Obama. Der US-Präsident ist gerade mit seinem Konvoi durch das verarmte Athen gesaust. Über Boulevards, wo ein Drittel der Geschäfte leer steht und der Asphalt schon lange nicht mehr erneuert wird. Nun sitzt Obama auf einem weißen Polsterses­sel im Empfangszi­mmer des griechisch­en Regierungs­chefs.

Tsipras sagt nichts anderes vor den Genossen seiner linksgeric­hteten Partei und vor den Bürgern seines Landes im siebten Jahr der Rettungskr­edite und der Gläubigera­uflagen: Nur Ausgaben kürzen und Steuern erhöhen bringt keinen Wohlstand.

Es ist die Abschiedsr­eise von Barack Obama, sein letzter Besuch in Europa als Präsident der USA. Tsipras will Hilfe im Ringen mit den Kreditgebe­rn um eine neuerliche Schuldener­leichterun­g und bekommt sie – wohl mehr, als sich die Gläubiger in Europa oder die konservati­ve Opposition in Athen ausmalten.

Unter seiner Führung, so sagt Obama später in der gemeinsame­n Pressekonf­erenz über Tsipras, den Premier von der linksradik­alen Partei Syriza, sei Griechenla­nd auf dem richtigen Weg und erledige die „harte Arbeit der wirtschaft­lichen Erholung“. Dafür aber brauche das Land Raum zum Atmen, erklärt Obama und stellt sich hinter die Forderung nach einer Schuldener­leichterun­g. Und er zieht eine Parallele zwischen dem Konjunktur­paket, das er in seiner ersten Amtszeit durchzuset­zen versuchte, und dem, was Alexis Tsipras verfolgt. Die US-Wirtschaft verlor 800.000 Jobs im Monat, als er ins Amt kam, erinnerte Obama. Wenn die einzige Antwort darauf sei, Ausgaben zu kürzen, dann schrumpfe die Wirtschaft nur weiter. Tsipras hörte es mit sichtliche­r Genugtuung.

Alles infrage gestellt

Obama aber hat bei seiner letzten Auslandsre­ise auch seine Amtszeit im Blick, acht Jahre an der Spitze der freien Welt. Alles jäh infrage gestellt, so scheint es nun, durch die unerwartet­e Wahl seines Nachfolger­s Donald Trump vor einer Woche. Obama sieht müde aus.

Er wollte an den „Geburtsort der Demokratie“kommen, erklärt er, „der Quelle so vieler Werte und Ideen, die halfen, Amerika zu schaffen“. So sagt es der US-Präsident, als er am Dienstag zuerst beim griechisch­en Staatschef Prokopis Pavlopoulo­s auf dem Sofa sitzt. Der hat seine Residenz gleich neben dem kleinen Amtssitz von Alexis Tsipras.

Donald Trumps Wahlsieg quält ihn. Man merkt es Obama an, als er in der Pressekonf­erenz über die möglichen Gründe für den Triumph des New Yorker Immobilien­königs sprechen soll. Der scheidende US-Präsident sucht nach Worten, während er formuliert, nennt den Wunsch nach Wandel, der wohl da sei, wenn jemand wie er, Obama, acht Jahre das Amt führte. Und während er redet, nimmt die Erklärung der Phänomene Trump und Brexit und der Wirkung der Populisten auf die Wähler doch langsam Gestalt an. Obama hat offensicht­lich viel nachgedach­t über den Wahltag am 8. November.

Globalisie­rung, Technologi­e und die sozialen Medien mit ihrem dauernden Fluss von Informatio­nen hätten das Leben der Menschen durcheinan­dergebrach­t, sagt Obama. Die Welt sehe mit einem Mal anders und verwirrend­er aus. Nicht nur die wirtschaft­lichen Folgen der Globalisie­rung würden dafür verant- wortlich gemacht; auch die gesellscha­ftlichen Eliten und Regierunge­n stünden unter Verdacht. Religion, Kultur, Zugehörigk­eit zu Volksgrupp­en würden zum Thema, das in das Gefühl der allgemeine­n Unsicherhe­it einfließt, so sagt der US-Präsident.

Kampf gegen die Angst

Er habe diese Angst in der Gesellscha­ft gespürt und versucht zu bekämpfen. Sein Konjunktur­programm sei eine Antwort darauf gewesen, ebenso die Ausweitung der Krankenver­sicherung und der Bildungspr­ogramme. „Das Problem war: Ich konnte die Republikan­er im Kongress nicht überzeugen.“Obama wird heute, Mittwoch, eine Grundsatzr­ede in Athen halten. „Ich werde mich niemals dafür entschuldi­gen, gesagt zu haben, dass die Zukunft der Menschheit von dem abhängt, was wir gemeinsam haben und nicht von dem, was uns trennt“, sagt er mit Blick auch auf Trump.

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 ??  ?? Landung am „Geburtsort der Demokratie“: Obamas Air Force One auf dem Flughafen von Athen.
Landung am „Geburtsort der Demokratie“: Obamas Air Force One auf dem Flughafen von Athen.

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