Familienbeihilfe: Vorstoß der ÖVP zur Kürzung verärgert SPÖ
ÖVP-Initiative für Einschränkung sorgt für roten Unmut – Bei Pensionen bleibt Streitfrage ausgeklammert
Wien – Schlechten Stil wirft SPÖKlubchef Andreas Schieder der ÖVP vor: Ohne dies mit dem roten Koalitionspartner abzusprechen, hatten drei VP-Minister in einem Brief an die EU-Kommission gefordert, dass EU-Staaten die Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder kürzen dürfen. Er erwarte sich, über derartige Vorschläge informiert zu werden, sagt Schieder: „Es ist schwierig, über Phantome zu diskutieren.“
In der Sache zeigen sich die Sozialdemokraten aber aufgeschlossen. Die ÖVP drängt darauf, die Höhe der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder, von denen zumindest ein Elternteil in Österreich arbeitet, an das Niveau der Lebenskosten im jeweiligen Land anzupassen. (red)
Wien – Der Vorwurf wird in der mäßig harmonischen Regierung universell eingesetzt, dieses Mal kommt er von roter Seite: „Das ist kein guter Stil“, bewertet SPÖKlubobmann Andreas Schieder eine unabgesprochene Initiative der ÖVP. „Es ist schwierig, über Phantome zu diskutieren.“
Es geht um einen Brief an EUKommissionschef Jean-Claude Juncker, über den die ÖVP-Minister Hans Jörg Schelling, Sophie Karmasin und Sebastian Kurz zwar Medien, aber nicht den Koalitionspartner informiert haben. Das Trio fordert die sogenannte „Indexierung“der Familienbeihil- fe: EU-Staaten sollen die Möglichkeit bekommen, die Leistung für im EU-Ausland lebende Kinder, von denen zumindest ein Elternteil in Österreich arbeitet, an die dortigen Lebenskosten anzupassen, also de facto zu kürzen.
Genau das haben die Staats- und Regierungschefs eigentlich bereits im Februar grundsätzlich beschlossen, um Großbritannien vom Austritt aus der EU abzuhalten. Doch nach erfolgtem Brexit blieb der Plan unvollendet.
Karmasin begründet den neuen Vorstoß mit Einsparungen von 100 Millionen Euro, die Österreich mit einer Beschränkung erzielen kön- ne. Die Ausgaben steigen: Überwies der Staat 2013 rund 192 Millionen an Familienbeihilfe ins Ausland, so waren es im Vorjahr bereits 249 Millionen. Profitiert haben 122.000 Kinder. Häufigstes Wohnsitzland war 2015 Ungarn, vor der Slowakei, Polen und Deutschland.
Unter Kanzler Werner Faymann zeigte die SPÖ für das Vorhaben Sympathie, das dürfte sich auch unter Nachfolger Christian Kern nicht geändert haben. Man verschließe sich nicht prinzipiell, sagt Kanzleramtsminister Thomas Drozda, jedoch seien noch Gespräche über die Details nötig.
Warum die ÖVP solche nicht vor dem Brief nach Brüssel gesucht hat? Das sei nicht nötig gewesen, sagt Finanzminister Hans Jörg Schelling: Bevor man über eine Regelung diskutiere, brauche es erst die rechtliche Möglichkeit.
Teileinigung über Pensionen
Alleingänge gab es auch beim Thema Pensionen: Zur Umsetzung vereinbarter Reformen hatte Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) Gesetzesentwürfe vorgelegt, die mit dem Koalitionspartner nicht akkordiert waren. Im Ministerrat am Dienstag verabschiedeten SPÖ und ÖVP nach teilweise unfreundlichem Meinungsaustausch nun doch ein gemeinsames Paket, klammerten eine Streitfrage aber aus: Wie stark dürfen die Kosten für die Pensionen à la longue steigen? Stöger hatte einen neuen „Referenzpfad“vorgeschlagen, der die Ausgaben für das allgemeine Pensionssystem und die Beamtenpensionen addierte, der ÖVP aber zu wenig ehrgeizig war. Schelling lässt an einer neuen Prognose zu den Beamten rechnen, danach wollen sich SPÖ und ÖVP auf einen Modus einigen.
Besiegelt ist hingegen die Reform der Pensionskom mission, die regelmäßig Berichte zur Finanzierbarkeit der Pensionen vorlegt – nun auch inklusive Beamten. Das Gremium, das sich künftig A lt erssi ch erungskom mission nennt, wird abgeschlankt. Stimmrecht haben nur noch zwei Vertreter des Ö GB, je einer von Arbeiter kammer, Wirt schafts kammer, Landwirt schafts kammer und Industriellen vereinigung sowie zwei Experten von Bundes senioren-und- jugend vertretung; Fachleute werden zur Beratung beigezogen.
Andere Vorhaben standen bereits fest: etwa ein Bonus für jene, die über das reguläre Pensionsalter hinaus arbeiten, und eine Verbesserung für Min destpensionisten. Wer 30 echte Beitrags jahre hat, bekommt künftig 1000 Euro statt derzeit rund 883 Euro.
Was der Ministerrat ebenfalls beschloss: den neuen Finanzausgleich. (jo)