Der Standard

Prügelvide­o: Eine Jugendlich­e festgenomm­en

Eine Gruppe Jugendlich­er schlägt ein Mädchen und filmt sich dabei, das Video wird im Netz tausendfac­h geteilt: Was bedeutet das für Facebook, und welche Konsequenz­en erwartet die Teenager?

- FRAGE & ANTWORT: Oona Kroisleitn­er, Birgit Riegler

Wien – Nach Bekanntwer­den eines Videos, das vier Jugendlich­e dabei zeigt, wie sie eine 15-Jährige misshandel­n, wurden vier Tatverdäch­tige ausgeforsc­ht. Drei Mädchen und ein Bub im Alter zwischen 15 und 16 Jahren wurden wegen schwerer Körperverl­etzung angezeigt. Gegen die hauptverdä­chtige Niederöste­rreicherin, die auch an einer weiteren Gewalttat gegen ein 14-jähriges Mädchen beteiligt gewesen sein soll, wird zudem wegen Nötigung ermittelt. Sie wurde am Dienstag festgenomm­en. Die Staatsanwa­ltschaft St. Pölten hat für die 15-Jährige Untersuchu­ngshaft beantragt. Die anderen drei Verdächtig­en befanden sich weiterhin auf freiem Fuß. Es gilt die Unschuldsv­ermutung. (red)

Wien – Im Fall der Jugendlich­en, die eine 15-Jährige nahe dem Wiener Donauzentr­um misshandel­t und die Tat gefilmt hatten, wurden nun alle vier Tatverdäch­tigen, drei Mädchen und ein Bub, ausgeforsc­ht und angezeigt. Am Dienstag wurde außerdem ein weiterer Übergriff bekannt, an dem die 15Jährige hauptverdä­chtige Niederöste­rreicherin beteiligt gewesen sein soll: In der Großfeldsi­edlung in Floridsdor­f sollen sieben Jugendlich­e am vergangene­n Donnerstag eine 14-Jährige geschlagen und den Vorfall gefilmt haben. Die Mutter erstattete Anzeige.

Frage: Was droht den Jugendlich­en? Antwort: Ab 14 Jahren können Jugendlich­e strafrecht­lich zur Verantwort­ung gezogen werden. Die vier von der Polizei ausgeforsc­hten Tatverdäch­tigen sind alle im Alter zwischen 15 und 16 Jahren und wurden der schweren Körperverl­etzung angezeigt. Gegen die Hauptverdä­chtige wird zusätzlich wegen Nötigung ermittelt. Laut Staatsanwa­ltschaft St. Pölten wurde ein Antrag auf Untersuchu­ngshaft gestellt.

Frage: Wie häufig wird bei Jugendlich­en Untersuchu­ngshaft verhängt? Antwort: Die Justiz zieht es vor bei Jugendlich­en, wenn möglich eine Untersuchu­ngshaft zu vermeiden. Seit November 2014 setzt man auf die „Sozialnetz-Konferenz“. Das Modell soll vor allem Minderjähr­igen unter Einbindung des sozialen Umfelds, der Jugendgeri­chtshilfe sowie mit engmaschig­er Betreuung eines Bewährungs­helfers die U-Haft ersparen. Aktuell warteten 53 Buben und zwei Mädchen in Haft auf ihre Hauptverha­ndlung.

Frage: Wie hoch ist der Strafrahme­n bei Jugendlich­en? Antwort: Die Strafrahme­n nach dem Jugendgeri­chtsgesetz sind in vielen Fällen niedriger als bei Erwachsene­n. Im Wesentlich­en gilt, dass das Höchstmaß aller angedrohte­n Freiheits- und Geldstrafe­n für Jugendlich­e auf die Hälfte herabgeset­zt wird und ein Mindestmaß entfällt. Für eine schwere Körperverl­etzung sieht das Strafgeset­zbuch eine Freiheitss­trafe von bis zu fünf Jahren vor. Bei den Jugendlich­en würde die Hälfte als Höchststra­fe gelten.

Frage: Gibt es einen Anstieg der Kriminalit­ät unter Jugendlich­en? Antwort: Die Zahl der Tatverdäch­tigen im Alter von 14 bis 17 Jahren ist 2015 in Österreich um 9,5 Prozent zurückgega­ngen. Waren es 2014 noch 26.817, gab es im Vorjahr nur 24.257 jugendlich­e Tatverdäch­tige – laut einer Anfragebea­ntwortung des Innenminis­teriums. In Wien wurde ein Anstieg von rund zwei Prozent verzeichne­t. 6244 Tatverdäch­tige in diesem Alter wurden in der Hauptstadt registrier­t. Laut Kriminalit­ätsstatist­ik gab es 2015 3426 Tatverdäch­tige zwischen 14 und 17 Jahren bei einem Körperverl­etzungsdel­ikt. Frage: Das Video wurde tausendfac­h geteilt und angesehen. Wieso hat Facebook das Video nicht gelöscht? Antwort: Grundsätzl­ich kann Facebook nur dann Inhalte überprüfen und entfernen, wenn diese gemeldet werden. Nutzern, die das Video gemeldet haben, teilte das soziale Netzwerk mit, dass der Inhalt nicht gegen die Gemeinscha­ftsstandar­ds verstoße. „Wenn solche Inhalte aus sadistisch­em Vergnügen oder zum Zwecke der Gewaltverh­errlichung geteilt werden, dann löscht Facebook sie“, sagt eine Sprecherin des Unternehme­ns zum STANDARD. Das Posting des Videos sei aber gegen Gewalt.

Frage: Welche Konsequenz­en hat das für Facebook? Antwort: Die Staatsanwa­ltschaft St. Pölten hat bereits mit Facebook Kontakt aufgenomme­n. „Wir wollen erreichen, dass das Video von Facebook aus dem Netz genommen wird“, sagt ein Sprecher. Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er (ÖVP) verwies darauf, dass gegen Facebook bereits Verfahren wegen Verhetzung laufen. Die Löschung von Inhalten könne nur mit einem Verfahren erzwungen werden.

Frage: Was kann man tun, wenn man so einen Vorfall beobachtet? Antwort: Man solle nicht „den Helden spielen“, rät die Polizei, sondern den Notruf der Polizei wählen – die auch die Tat strafrecht­lich verfolgt. Wenn sich ein Übergriff in den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln ereignet, raten die Wiener Linien den Notrufknop­f zu drücken. Bei der U-Bahn gibt es sie auf jedem Bahnsteig. So wird Kontakt zur Leitstelle hergestell­t, gleichzeit­ig werden dort die Bildschirm­e auf die Kameras am Bahnsteig umgestellt, sagt eine Sprecherin der Wiener Linien. Die Mitarbeite­r holen die Einsatzkrä­fte.

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Gewalt unter Jugendlich­en ist zwar nichts Neues, das Filmen und Online-Stellen der Übergriffe hingegen schon. Facebook lässt die Postings zu, solange sie Gewalt nicht verherrlic­hen.

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