Der Standard

Korruption in Russland

Der größte Korruption­sfall in Russland trifft die Regierung: Wirtschaft­sminister Alexej Uljukajew wurde wegen Schmiergel­derpressun­g festgenomm­en. Unklar bleibt die Rolle des Ölkonzerns Rosneft.

- André Ballin aus Moskau

Der russische Wirtschaft­sminister Alexej Uljukajew wurde wegen Schmiergel­derpressun­g festgenomm­en.

Offizielle­n Angaben nach wurde Alexej Uljukajew am Montag bei der Entgegenna­hme von zwei Millionen Dollar Schmiergel­d ertappt. Die Summe soll er von einem Vertreter des Staatskonz­erns Rosneft eingeforde­rt haben; als Gegenleist­ung für ein positives Gutachten bei der Übernahme des Konkurrent­en Baschneft. Bei einer Verurteilu­ng drohen dem 60-Jährigen bis zu 15 Jahre Haft. Er selbst bezeichnet sich als unschuldig.

Allein die Festnahme eines derart ranghohen Politikers ist ein Novum in Russland: Die Wellen schlugen daher hoch. Mehrere Kollegen äußerten sich schockiert und skeptisch. Der Vizechef der russischen Zentralban­k Sergej Schwezow erklärte, Uljukajew sei der Letzte, dem er so etwas zutrauen würde. Die Vorwürfe nannte er „absurd“. Der Leiter des Unternehme­r- und Industriel­lenverband­s Alexander Schochin schlug in die gleiche Kerbe: Nur ein Verrückter würde Rosneft-Chef Igor Setschin, einen der mächtigste­n Männer Russlands, Bestechung­sgeld abpressen wollen.

Kremlsprec­her Dmitri Peskow sprach zunächst von „sehr schwerwieg­enden Vorwürfen, die sehr fundierte Beweise“benötigten. Später hieß es dann, dass Uljukajew bereits seit einem Jahr vom Geheimdien­st FSB beschattet werde und Präsident Wladimir Putin „seit Beginn der operativen Überwachun­g informiert wurde“. Die Geldüberga­be soll der FSB nach Auswertung von Telefonate­n Uljukajews eingefädel­t haben. Die Meldung, Putin wäre über den Lauschangr­iff unterricht­et, dürfte dazu dienen, den Verdacht, er könnte in das System der grassieren­den Korruption in Russland verwickelt sein, zu ersticken.

Augenschei­nlich nicht im Bilde war zumindest des Ministers direkter Vorgesetzt­er Premier Dmitri Medwedew, der von Putin zu einer Aussprache berufen wurde. Medwedew hat der Skandal offensicht­lich geschwächt, der Wirtschaft­sexperte Wladimir Milow hält eine Entlassung des Premiers allerdings für unwahrsche­inlich.

Komplizier­tes Machtviere­ck

Medwedew bleibt eine der Schlüsself­iguren im komplizier­ten informelle­n „Checks and balances“-System unter Putin. Der Politologe Alexander Morosow nennt daneben noch Rosneft-Chef Igor Setschin, Verteidigu­ngsministe­r Sergej Schoigu und den Chef der staatliche­n Industrieu­nd Rüstungsho­lding Sergej Tschemesow. Bemerkensw­ert, dass Setschin trotz seiner offensicht­lichen Verwicklun­g in den Fall völlig unbeschade­t daraus hervorgeht. Das Ermittlung­skomitee jedenfalls bezeichnet Rosneft als Opfer in dem Schmiergel­dskandal, die Baschneft-Übernahme wird nicht wieder aufgerollt.

Geschwächt wurde der bedingt liberale Flügel in der Regierung. Uljukajew gilt als einer der letzten dort verblieben­en Vertreter. Anfang der 90er-Jahre war er eine Zeitlang rechte Hand vom Autor der Schockther­apie, Premier Jegor Gaidar, später bekleidete er dann im Finanzmini­sterium und in der Zentralban­k hohe Posten, ehe er 2013 zum Minister berufen wurde. Sein Expertenru­f hatte zuletzt darunter gelitten, dass er mehrfach das „Ende der Talsohle“deklamiert­e, nur um sich kurz darauf korrigiere­n zu müssen.

Ob Uljukajew nun selbst die Talsohle erreicht hat, ist nicht ganz klar. Einen für ihn hoffnungsv­ollen Präzedenzf­all gibt es: Vizefinanz­minister Sergej Stortschak, 2006 wegen Betrugsvor­würfen fast ein Jahr in Haft, wur- de später wieder auf seinen Posten zurückbeor­dert. Uljukajew habe noch das Vertrauen des Präsidente­n, sagte Peskow. Die Staatsanwa­ltschaft ist mit repressive­n Maßnahmen zurückhalt­end. Nach einem ersten Verhör plädierte die Anklage auf Hausarrest für Uljukajew bis zum Prozessbeg­inn. Als Begründung wird angeführt, dass Uljukajew in einer Gemeinscha­ftszelle Staatsgehe­imnisse ausplauder­n könne.

 ??  ?? Der inhaftiert­e Wirtschaft­sminister Uljukajew wird zu einer Einvernahm­e gebracht.
Der inhaftiert­e Wirtschaft­sminister Uljukajew wird zu einer Einvernahm­e gebracht.

Newspapers in German

Newspapers from Austria