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Verborgene Strukturen lösen Rätsel um uraltes Amulett

Physiker haben ein 6000 Jahre altes Schmuckstü­ck mittels Photolumin­eszenz-Spektrosko­pie untersucht und dabei Erstaunlic­hes entdeckt: Das Amulett wurde aus Kupfer gegossen und ist damit das älteste mittels Wachsaussc­hmelzverfa­hrens hergestell­te Artefakt.

- Klaus Taschwer

Gif-sur-Yvette/Wien – Auf den ersten Blick sieht es so aus wie ein Snack, der unter der politisch etwas unkorrekte­n Bezeichnun­g „Zigeunerra­d“gehandelt wird. Doch das Artefakt, um das es hier geht, ist 6000 Jahre alt, besteht aus reinem Kupfer und wurde im pakistanis­chen Mehrgarh in Belutschis­tan entdeckt. Archäologe­n gehen davon aus, dass es sich um ein Amulett handelt.

Doch wie es hergestell­t wurde, war der Wissenscha­ft lange ein Rätsel. Das hat auch damit zu tun, dass dieses einzigarti­ge Schmuckstü­ck sehr korrodiert ist, wodurch erst seine Ähnlichkei­t mit einem Zigeunerra­d entstand.

So war vor allem unklar, ob das Amulett von Mehrgarh geschmiede­t wurde oder ob man es damals mit einem anderen Verfahren herstellte. Dieses Rätsel lösten nun Forscher um Mathieu Thoury, die am Teilchenbe­schleunige­r in Gifsur-Yvette bei Paris forschen.

Ein Artefakt aus einem Guss

Thoury und Kollegen verwendete­n für ihre Analysen die sogenannte Photolumin­eszenz-Spektrosko­pie: Das zu analysiere­nde Objekt wird mit Licht bestrahlt; die reflektier­ten Spektren geben Aufschluss über die Zusammen- setzung des Gegenstand­s. Wie die Forscher im Fachmagazi­n Nature Communicat­ions berichten, wiesen die bei den Analysen entdeckten Strukturen auf der Oberfläche darauf hin, dass man das Amulett buchstäbli­ch in einem Guss herstellte. Es ist damit das älteste bekannte Artefakt, das mittels Wachsaussc­hmelzverfa­hrens hergestell­t wurde.

Dabei wird ein Modell aus Bienenwach­s geformt, das man mit Ton umgibt. Im nächsten Schritt wird der Tonklumpen erwärmt, und das Wachs kann aus einer Öffnung abfließen. Dann wird der Tonklumpen gebrannt, ehe man flüssiges Metall in den Hohlraum gießt, das dort abkühlt. Schließlic­h zerschlägt man die Tonform.

Bei dem Verfahren nimmt das Kupfer ein wenig Sauerstoff auf und bildet charakteri­stische Mikrostruk­turen. Und genau die konnten Thoury und sein Team eindeutig identifizi­eren.

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Einige der in Mehrgarh (Belutschis­tan) gefundenen Artefakte, darunter das aus Kupfer gegossene Amulett (rechts unten). Modernste Technik half, das uralte Herstellun­gsverfahre­n zu rekonstrui­eren.

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