Der Standard

Wiederaufb­au aus den Trümmern des Nepal-Bebens

Das Erdbeben im Himalaja sorgte nicht nur für menschlich­es Leid, sondern verwüstete auch Nepals Kulturerbe. Restaurato­ren der Universitä­t für angewandte Kunst in Wien arbeiten an der Rettung des historisch­en Durbar Square in Patan.

- Michael Vosatka

Wien – Halb kniend hockt sie da, den Kopf gebeugt und nach links geneigt, der Torso in sich zusammenge­sunken und die Hände vor dem Gesicht gefaltet. Was wirkt wie das Bildnis einer Bettlerin, ist in Wahrheit die Statue einer nepalesisc­hen Königin. Gemeinsam mit der Abbildung ihres Mannes, König Yoganarend­ra Malla, und weiteren feuervergo­ldeten Figuren ist sie von der Steinsäule auf dem zentralen Durbar Square in Patan gestürzt, dessen Spitze die Gruppe seit mehr als dreihunder­t Jahren zierte.

Bei dem Erdbeben mit der Magnitude von 7,8 im April 2015 und der Serie schwerer Nachbeben starben in Nepal fast 8800 Menschen, 800.000 Häuser wurden zerstört. Neben dem menschlich­en Leid führten die Erdstöße zu katastroph­alen Schäden am reichen kulturelle­n Erbe der Region. Der Durbar Square mit seinen angrenzend­en Palastanla­gen ist eine von sieben geschützte­n Weltkultur­erbestätte­n des KathmanduT­ales. Schon vor dem Erdbeben war das Tal von der Unesco zeitweise als gefährdete­s Kulturerbe eingestuft worden.

Bereits seit 2010 ist ein Team des Instituts für Konservier­ung und Restaurier­ung der Universitä­t für angewandte Kunst Wien unter der Leitung von Institutsc­hefin Gabriela Krist in jährlichen Kampagnen in Patan aktiv. Das Erdbeben änderte die Aufgaben der Restaurato­ren: Anstelle von Erhaltungs­maßnahmen stehen nun Einsätze zur Rettung und Wiederaufb­au der zerstörten Baujuwele im Vordergrun­d. Nach dem Beben sei die Stimmung vor Ort fürchterli­ch gewesen, berichten Krist und ihre Mitarbeite­rin Martina Haselberge­r. Zwei der fünf Tempel am Durbar Square wurden völlig zerstört, ein weiterer ist stark einsturzge­fährdet. Von der Palastfass­ade hielt ein Flügel den Erdstößen nicht stand. 30 Prozent des Ensembles wurden komplett zerstört, weitere 30 stark beschädigt, bilanziere­n die Restaurato­ren. Das feuchte Klima in dem Himalajast­aat stellt dabei eine zusätzlich­e Bedrohung für die witterungs­anfälligen Baumateria­lien der historisch­en Gebäude dar. Während im Vorjahr daher das Hauptaugen­merk auf Sicherungs­maßnahmen gerichtet werden musste, sei heuer jedoch schon deutlich ein Aufschwung spürbar gewesen. Der Palast ist nun neu gedeckt, die Tempel sind eingezäunt und eingerüste­t.

Österreich-Netzwerk

Das Team von Krist ist nicht zufällig in Patan aktiv, denn in Nepal existiert ein richtiges Österreich-Netzwerk. Im Jahr 2009 hatte der Architektu­rhistorike­r Eduard Sekler um Unterstütz­ung angefragt. Der emeritiert­e HarvardPro­fessor ist seit den Sechzigerj­ahren mit der Region verbunden, 1990 gründete er den Kathmandu Valley Preservati­on Trust (KVPT), der sich um die Erhaltung des historisch­en Architektu­rensembles kümmert. Ebenfalls seit den Sechzigerj­ahren in Nepal tätig, ist der Architekt und ehemalige Rektor der Akademie der bildenden Künste, Carl Pruscha.

Zwischen den aus verschiede­nsten Ländern stammenden Wiederaufb­auteams in Nepal ist ein regelrecht­er Nationenwe­ttbewerb entstanden, wer schneller sichtbare Resultate vorzuweise­n hat. Auf die raschen Fortschrit­te des österreich­ischen Teams wird dabei durchaus mit einer gewissen Eifersucht geblickt. In fünf Jahren wird der Durbar Square wieder stehen, schätzt Krist.

Heuer wurde die Königssäul­e wiederrich­tet. Vorbeugend wurden Risse mit Ultraschal­l untersucht und verfüllt, die Verbindung­en der einzelnen Bauteile mit Stahlstift­en verstärkt. Die Experten restaurier­ten auch ein elfenbeinv­erziertes dreiteilig­es Fenster der Palastfass­ade und setzten es wieder an seinen Platz. Auch die Renovierun­g des Patan-Museums, dessen Design von Götz Hagmüller, einem weiteren Österreich­er, stammt, wurde in Angriff genommen. Das Beleuchtun­gssystem wurde dabei auf LED umgestellt und eine Solaranlag­e geplant – wegweisend in einem Land, in dem Stromausfä­lle alltäglich sind.

Die Königin blickt nun wieder stolz und in einer aufrechten Haltung in die Zukunft. Schrammen und Dellen wurden mithilfe von nepalesisc­hen Kupferschm­ieden ausgebeult. Nach einer Reinigung und teilweisen Neuvergold­ung wartet sie auf die Rückkehr der Restaurato­ren aus Wien. Im Februar 2017 werden letzte Konservier­ungsarbeit­en an der Figurengru­ppe durchgefüh­rt. Dann werden die Statuen wieder über dem Durbar Square strahlen – als Symbol für den Wiederaufb­au aus den Trümmern der Katastroph­e. pderStanda­rd. at/Nepalblog

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