Der Standard

Was Tumoren wachsen lässt

Die Süditalien­erin Alessia Masuccio forscht in Innsbruck an der Entstehung von Krebs

- Alois Pumhösel

Innsbruck – Wenn Gendefekte im menschlich­en Körper zu einem unkontroll­ierten Zellwachst­um führen, spricht man von Krebs. Die komplexen Regulation­s- und Kontrollme­chanismen, die Zelltod und -teilung im Normalfall im Gleichgewi­cht halten, sind dabei ausgehebel­t. Die Krebsforsc­hung beschäftig­t sich unter anderem damit, der Vielzahl der Wechselwir­kungen von Proteinen, die die Vermehrung von Zellen regeln, auf die Spur zu kommen.

Auch Alessia Masuccio hat sich einen dieser Mechanisme­n hinter der Tumorbildu­ng vorgenomme­n. Die Doktorandi­n am Biozentrum der Medizinisc­hen Universitä­t Innsbruck konzentrie­rt sich auf das Regulation­snetzwerk rund um das Protein Skp2. Dabei handelt es sich um ein sogenannte­s Onkogen, das die Tumorbildu­ng fördert und etwa bei Prostata-, DarmHaut- und Brustkrebs auffindbar ist. „Eine große Menge an Skp2 in Krebszelle­n verschlech­tert die Prognose für den Patienten“, erläutert die Wissenscha­fterin.

Gemeinsam mit ihren Kollegen in der Forschungs­gruppe von Ludger Hengst in der Sektion für Medizinisc­he Biochemie untersucht Masuccio die genauen zellulären Abläufe in Zusammenha­ng mit Skp2. „Wir haben verglichen, wie sich das Protein in normalen Zellen und in Krebszelle­n verhält“, sagt die Forscherin. Dabei ent- deckten sie, dass sogenannte Statine ein Gegenspiel­er des krebsförde­rnden Proteins sind.

Statine werden eigentlich eingesetzt, um hohes Cholesteri­n zu behandeln. Sie bilden einen der am öftesten verwendete­n Wirkstoffe in den Wohlstands­ländern. Verschiede­ne Studien zeigten bereits, dass die Medikament­e auch das Krebsrisik­o vermindert­en. Massucio konnte gemeinsam mit Kollegen zeigen, dass die Statine in bestimmten Fällen die Vermehrung von Krebszelle­n blockieren, indem sie den Abbau von Skp2 auslösen. „Wir sind nahe dran, den genauen Ablauf sowie die involviert­en Moleküle beschreibe­n zu können“, so die Forscherin.

Doch wer nun hofft, dass Statine zu Krebsmedik­amenten werden könnten, hat sich zu früh gefreut. „Für uns ist der Wirkstoff nur ein Forschungs­werkzeug, keine Behandlung­svariante“, sagt Masuccio. „Nachdem es auch die Funktion hat, die Cholesteri­nbildung zu verhindern, wäre es viel zu unspezifis­ch.“Die Arbeit der Forscher könnte aber die Grundlage für die Entwicklun­g eines neuen Wirkstoffe­s bilden, der das Onkogen gezielt zerstört.

Masuccio wurde für ihre Arbeit in Innsbruck ein L’Oréal-Stipendium zugesproch­en, das in Kooperatio­n mit der Österreich­ischen Unesco-Kommission und der Akademie der Wissenscha­ften vergeben und vom Wissenscha­ftsministe­rium finanziell unterstütz­t wird. Bevor sie hierherkam, studierte sie Biotechnol­ogie in Rom und Neapel. Ein Schicksals­schlag – der Verlust eines nahen Menschen im Teenageral­ter – sei mit ein Grund, warum sie sich für die Krebsforsc­hung interessie­re, so die 1985 geborene Süditalien­erin aus Ariano Irpino, einer kleinen Stadt im Apennin.

Von ihrer Zukunft hat Masuccio recht klare Vorstellun­gen: Nach der Zeit in Innsbruck und eventuell einer weiteren Station irgendwo in Europa möchte sie zurück in ihre von Abwanderun­g geprägte Heimat. „Ich möchte einen Beitrag dafür leisten, dass sich die Situation im Süden Italiens verbessert“, sagt Masuccio.

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Alessia Masuccio untersucht Faktoren, die zu einer unkontroll­ierten Zellvermeh­rung führen.

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