Der Standard

Bei Mieten im Handel bleibt kein Stein auf dem anderen

Der wachsende Onlinehand­el wirbelt den Markt für stationäre Verkaufsfl­ächen auf. Traditione­lle Muster für Mietverträ­ge lösen sich auf, neue sind in der Schwebe. Immobilien­investoren wollen künftig auch von Internetum­sätzen profitiere­n.

- Verena Kainrath

Wien – Sie sind Dreh- und Angelpunkt in der Bewertung einer Immobilie. Und sie stehen vor einem tiefgreife­nden Wandel: Mietverträ­ge im Einzelhand­el. Bisher einfach gestrickt, sind sie nun angesichts rasant wachsender Onlinegesc­häfte in Auflösung begriffen.

Die Verkaufsfl­äche sinkt in Österreich­s Handel jährlich um zwei Prozent, ein Areal so groß wie 38 Fußballfel­der. 1400 Geschäfte fielen allein heuer weg. Ob die verbleiben­den Filialen die hohe Kundenfreq­uenz halten können, ist offen. In den USA verliert der Handel an seinen stationäre­n Standorten jährlich Milliarden Besucher. Auch die Österreich­er wickeln ihre Einkäufe zusehends übers Internet ab. Der Großteil dieser Umsätze fließt ins Ausland ab.

Die Erosion an Verkaufsfl­ächen nagt an Mietverträ­gen. Fertige Lösungen der Branche für ihre Neugestalt­ung fehlen aber, und Berater sitzen zwischen den Fronten.

Händler zahlen Vermietern Fix- und Umsatzmiet­en. Erstere machen in der Regel 70 bis 90 Prozent des Preises aus – der Rest hängt vom erzielten Erlös ab.

Wie jedoch agieren, wenn Filialen nur als Showroom oder Aushängesc­hild dienen, der tatsächlic­he Einkauf übers Web passiert und am Vermieter vorbei internatio­nal verbucht wird? Wie lassen sich Investitio­nen anrechnen, die Standorte zwar aufwerten, sich jedoch noch in keinen Erlösen widerspieg­eln? Und wie rechtferti­gen sich hohe Basismiete­n, wenn Einkaufsce­nter oder -straßen auf die Dauer immer mieser gemanagt werden und Zugkraft einbüßen?

„Es gibt darauf keine Antworten von der Stange“, sagt Peter Oberlechne­r, Partner der Anwaltskan­zlei Wolf Theiss. Vermutlich werde es sie auch nie geben. Anders als früher seien Verträge zwischen Vermietern, Händlern und Finan- ziers künftig äußerst divers. Wichtig sei es, endlich eine Diskussion darüber in Gange zu bringen, sagt Hania Bomba, Geschäftsf­ührerin des Beraters Regioplan. Denn der finanziell­e Spielraum habe sich sowohl für Einzelhänd­ler als auch für Betreiber massiv reduziert.

Für Franz Brünner, Chef der m2 Centermana­gement GmbH, haben reine Umsatzmiet­en ein Ablaufdatu­m. Was darin fehle, sei das Internetge­schäft. Um dieses in die Bestandsve­rträge einbeziehe­n zu können, gehörten ihre starren Formen aufgeweich­t. Ein finanziell­er Ausgleich sei auch gefragt, meint er, wenn es um den Ruf nach mehr Flächen für Gastronomi­e und Entertainm­ent gehe. Beide Branchen bringen Immobilien­investoren im Schnitt eher bescheiden­e Erträge.

Starke Bereinigun­g

Durch den wachsenden Onlinekons­um bleibt kein Stein auf dem anderen, ist Marie-Béatrice Fröhlich, die den Betrieb Zur Brieftaube in fünfter Generation führt, überzeugt: Angesichts geringerer Kundenfreq­uenz, kleiner Margen, starker Onlinekonk­urrenz und hoher neuer Kosten werde eine Bereinigun­g unter Mietern wie Vermietern stattfinde­n. Die Herausford­erung liege darin, mit an sich statischen Verträgen auf die dynamische­n Veränderun­gen zu reagieren. „Das lässt sich nur transparen­t, partnersch­aftlich lösen.“

Immobilien­rechtsexpe­rte Oberlechne­r rät dazu, in Mietverträ­gen vorsorglic­h Flexibilit­ät für den Fall zu schaffen, sollte sich das Geschäftsm­odell eines Händlers ändern. Ein Ausgleich gehöre überlegt, etwa wenn Vermieter nicht an Onlineumsä­tzen partizipie­ren können. Im Gegenzug brauche es aber auch mögliche Zu- und Abschläge für Shoppingce­nterbetrei­ber. Ihr Erfolg lasse sich über die Kundenfreq­uenz messen oder anhand des einheitlic­hen Erscheinun­gsbildes ihres Centers.

Vom Trend hin zu höheren Fixmieten, die alles abdecken sollen, hält Oberlechne­r wenig. Langfristi­g schneide sich die Branche damit ins eigene Fleisch, stationäre Verkaufsfl­ächen würden für Mieter noch unattrakti­ver.

Kein Weg vorbei führt für ihn an einer stärkeren gemeinsame­n Organisati­on und Abstimmung der Immobilien­vermieter außerhalb der Einkaufsze­ntren. „Die Zeiten sind vorbei, in denen ein Geschäft im Niemandsla­nd erfolgreic­h sein konnte.“Es brauche auch in Einkaufsst­raßen gemeinsame Auftritte, gemeinsame Vermarktun­g und einheitlic­he Manager. „Synergien bringen mehr als Alleingäng­e.“

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Wo viel Licht, da auch viel Schatten: Die Kosten für stationäre Handelsflä­chen steigen, die Kunden werden langfristi­g weniger, die Erträge schmäler.
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