Der Standard

Von der Kehrseite künstleris­chen Ruhms

Die Arbeiten der Serie „Doubleface­d“des deutschen Konzeptkün­stlers Sebastian Bieniek gelangten über diverse Internetka­näle zu Kultstatus. Die Kehrseite: Der deutsche Künstler muss nun gegen Plagiate und mit Urheberrec­htsverletz­ungen kämpfen.

- Olga Kronsteine­r

Wien – Würde Sebastian Bieniek nach den rund 483.500 „Gefällt mir“-Klicks seiner Facebook-Seite entlohnt, wäre er ein reicher Mann, gemessen an den in Spitzenzei­ten wöchentlic­h verzeichne­ten Visits von 40 Millionen, vermutlich sogar Milliardär. Der deutsche Konzeptund Performanc­ekünstler ist das alles freilich nicht. Stattdesse­n kämpft er gegen Plagiatore­n und mit Urheberrec­htsverletz­ungen.

Die Geschichte dazu begann im Spätsommer 2013. Bienieks sechsjähri­ger Sohn Bela laborierte an Wachstumss­chmerzen, verweigert­e den Schulbesuc­h und schmollte. Zur Aufmunteru­ng malte er ihm ein Lächeln ins Gesicht, schuf eine zweite, eben freundlich­ere Gesichtshä­lfte: eine väterliche Geste, die der Auftakt zu einer Serie von Fotoarbeit­en und auch eine Wende im Schaffen des vielseitig­en Künstlers war.

Bieniek, Jahrgang 1978, hatte bei der serbischen Performanc­ekünstleri­n Marina Abramović, beim Schweizer John M. Armleder oder der Fotokünstl­erin Katharina Sieverding studiert und auch Filmregie gelernt. Zuletzt lag sein Schwerpunk­t auf Malerei.

Doubleface­d nennt er die Serie, für die in den ersten zwölf Monaten rund 60 Fotografie­n entstehen. Als er die Arbeiten auf Facebook zu posten beginnt, generiert er ein Ausmaß an Aufmerksam­keit, wie er es nicht erwartet hat. Innert kürzester Zeit kletterte die Anzahl der Besucher seiner Facebook-Seite auf 21 Millionen, wöchentlic­h wohlgemerk­t.

„Inspired by Bieniek“

Die multiplen Porträts verbreiten sich explosions­artig und avancieren zu einem der populärste­n Memes. Weit über die Grenzen Europas hinaus, werden sie in amerikanis­chen, russischen, japanische­n oder thailändis­chen Webmagazin­en thematisie­rt. Auch Blogger greifen sie auf, etwa in Tutorials für den angesagten Halloween-Look. Jenes von Promise Phan, einer Make-up-Künstlerin aus Los Angeles, ist das bekanntest­e. Veröffentl­icht wurde die als „inspired by Sebastian Bieniek“gekennzeic­hnete Videoanlei­tung im Oktober 2013. Nach nur einem Monat ist das Video zwei Millionen Mal abgespielt worden, derzeit hält es bei 11,4 Millionen Mal.

Den Nebenwirku­ngen des Hypes stand Bieniek anfangs po- sitiv gegenüber. Der Hinweis „inspired by“sollte jedoch schneller verschwind­en, als es ihm lieb sein konnte. Sogar in einem Video von Pharrell Williams (Marilyn Monroe) wird die Idee, je nach Sichtweise, plagiiert oder zitiert. Medien berichten, Bienieks Bekannthei­t wachse. Seine Facebook-Gefolgscha­ft steigt auf 120.000, womit sich die Reichweite eines Postings bereits auf die Einwohnerz­ahl einer mittelgroß­en Stadt erstreckte. Derzeit liegt die Anzahl seiner Follower bei knapp 483.500. Schließlic­h fasst Doubleface­d- Look auch in der Werbebranc­he Fuß.

Rechtlich gesehen, steht der Künstler auf verlorenem Posten. Denn seine Idee ist urheberrec­htlich nicht schützbar, wie der auf Urheberrec­ht spezialisi­erte Rechtsanwa­lt Michael Walter betont. Anders liegt die Sache jedoch im Falle eines Disputes mit einem französisc­hen Designer. Im Februar 2015 kontaktier­te ihn ein gewisser Simon Jacquemus. Bienieks Kunst habe ihn bei der aktuellen Kollektion inspiriert, und er würde anlässlich der Pariser Fashion Week gerne mit ihm kooperiere­n. Bieniek reiste nach Paris und verpasste den Models das mittlerwei­le legendäre zweite Gesicht. Juristisch gesehen, handelt es sich um Werke eines Künstlers und nicht eines Visagisten.

Das Problem: Die damals erfolgten Fotoaufnah­men verbreitet Jacquemus seither ohne Nennung des Künstlers. Dazu wählt er Ausschnitt­e, die nicht seine Kreationen, sondern nur die Gesichter der Models zeigen. In die Verbreitun­g der Aufnahmen seiner Werke hatte Bieniek jedoch nie eingewilli­gt. Dass sie damit auch frappant den Fotoarbeit­en der Doubleface­d- Serie ähneln, sei erwähnt. Der Künstler intervenie­rte mehrfach, jedoch bislang vergeblich. Ein Urheberrec­htsverstoß, wie er eindeutige­r nicht sein könnte, bestätigt Walter auf Anfrage. So erfolgreic­h eine Klage auch wäre, sie kostet Geld, mehr, als der Künstler derzeit zu investiere­n gewillt ist.

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Vom Kunstwerk zum Look zur Urheberrec­htsverletz­ung: Sebastian Bienieks Collage dokumentie­rt seinen Kampf an den Fronten.

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