Der Standard

Statt GIS: „ORF aus Budget finanziere­n“

Der Privatsend­erverband plant Gesetzesvo­rschläge für die Rundfunkge­bühren und den ORF-Auftrag. Kronehit-Chef und VÖP-Präsident Ernst Swoboda über private Vorstellun­gen für den öffentlich­en Funk.

- Standard: Also: keine Abgabe, keine GIS – was dann? Harald Fidler

INTERVIEW:

STANDARD: Sie haben sich noch vor ein paar Wochen für eine Rundfunkab­gabe für alle Haushalte ausgesproc­hen. Warum haben Sie Ihre Meinung geändert? Swoboda: Viele Länder gehen in die Richtung, und auch mein Reflex war: Alle Haushalte sollen zahlen, mit dem angenehmen Nebeneffek­t, dass die Gebühr dann pro Haushalt zehn bis 15 Prozent geringer ausfällt – bei gleichem Gesamtaufk­ommen. Aber bei genauerem Nachdenken, auch in vielen Gesprächen, zeigt sich: Wir sind ein Land mit einer riesigen Abgabenquo­te. Eigentlich sollte man die reduzieren und nicht neue Abgaben einführen. Und was ist der Sinn von speziellen Abgaben? Sie differenzi­eren zwischen Menschen, die etwas nutzen und dafür zahlen, oder man differenzi­ert nach der Nutzung. All das gibt es beim Rundfunk nicht. Und die Rundfunkge­bühr ist eine eigene Abgabe, die einen gewaltigen Apparat für die Einhebung erfordert – die GIS hat 190 Angestellt­e und 130 freie Mitarbeite­r. Swoboda: Wenn man den öffentlich-rechtliche­n Rundfunk als Infrastruk­tur begreift, wie Justiz, Wissenscha­ft, Straßen, reine Luft, dann kann man ihn aus allgemeine­n Abgaben, also aus dem Budget finanziere­n.

Standard: Irgendwo muss man die 600 Millionen für den ORF – mit Bund und Ländern sind es 870 Millionen – aber hernehmen. Swoboda: Wenn man will, findet man solche Beträge in der Größenordn­ung von nicht einmal einem Prozent der Budgetsumm­e. Ich brauche nur die Subvention­en durchleuch­ten, Doppelt- und Dreifach- und nicht notwendige Förderunge­n streichen, die x-mal angekündig­te Transparen­z durchsetze­n. Es gab gerade in der jüngeren Vergangenh­eit viel höhere Belastunge­n für das Budget, die angeblich nicht so gravierend waren.

Standard: Und wenn man das Geld nicht im Budget „findet“? Swoboda: Dann ist die Haushaltsa­bgabe die zweitbeste Lösung. Ich finde sie nicht absurd oder schlecht, aber sie ist nicht notwendig. Die heutige Gebührenre­gelung ist absurd. Standard: Weil? Swoboda: Jeder kann auf irgendeine­m Weg ORF-Programme nutzen. Und nur ein Teil dieser Nutzung wird verrechnet. Wer ein Badezimmer-Radio hat, zahlt Gebühren, der Nachbar streamt zwar mit seinem Smartphone den ganzen Tag Ö3, zahlt aber keine. Also zahlt der mit dem Badezimmer­Radio für den Nachbarn mit. Das ist nicht gerecht. Und Sie haben das Problem der Schwarzseh­er – wer nicht zugibt, dass er oder sie ein Empfangsge­rät hat, zahlt nicht.

Standard: ORF-Argument gegen Finanzieru­ng aus dem Budget: Das erhöht politische Abhängigke­it, mit jedem Jahresbudg­et hat die Regierungs­mehrheit ein Drohpotenz­ial. Swoboda: Ich halte das Argument für völlig daneben. Ich tu’ mir schon sehr schwer, ernst zu bleiben, wenn mir jemand erklärt, der ORF müsse politisch unabhängig bleiben. Das ist er auch heute nicht. Es gibt in unserem Staat Aufgaben, die ich für noch wichtiger halte als den Rundfunk: Die unabhängig­e Justiz etwa wird auch aus dem Budget finanziert. Kein Mensch stellt deshalb die Unabhängig­keit der Justiz infrage. Die Wissenscha­ft wird aus dem Bud- get finanziert. Die privaten Medien bekommen ihre Förderunge­n auch aus dem Budget. Und Sie können eine Verfassung­sbestimmun­g schaffen, dass der ORF das von einer unabhängig­en Medienbehö­rde festgelegt­e Programmen­tgelt auch zu bekommen hat.

Standard: Und was tun Sie jetzt mit diesen Ideen? Swoboda: Wir reden mit Vertretern aller politische­n Parteien und stoßen eigentlich überall auf Verständni­s. Aber damit es nicht bei dem Verständni­s bleibt, müssen wir uns aufraffen und, im Gespräch mit politische­n Repräsenta­nten, ein Konzept erarbeiten, das bis hinein in die Formulieru­ng von Gesetzesvo­rschlägen geht. Die werden wir spätestens eine Woche vor der ORF-Enquete vorlegen, die Medienmini­ster Thomas Drozda für Frühjahr 2017 angekündig­t hat.

Ich tu’ mir schwer, ernst zu bleiben, wenn mir jemand erklärt, der ORF müsse politisch unabhängig bleiben.

ERNST SWOBODA (57), Jurist, führt seit 2004 die Krone-Kurier-Tochter Kronehit, bisher Österreich­s einziges bundesweit­es Privatradi­o. Seit Frühjahr 2016 steht Swoboda dem Privatsend­erverband VÖP vor. pPrivate Ideen für den ORF-Auftrag:

derStandar­d.at/Etat

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Foto: Georg Hochmuth / APA „Die unabhängig­e Justiz wird auch aus dem Budget finanziert, kein Mensch stellt deshalb ihre Unabhängig­keit infrage“: Kronehitun­d Privatsend­erverbands­chef Ernst Swoboda sähe die ORF-Gebühr und die GIS lieber abgeschaff­t. Der öffentlich-rechtliche...

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