Die Versionen der Wahrheit über Ungarns Medien
„Népszabadság“-Ende: Regierung beteuert Unschuld, Busek erachtet Westen an der Lage mit schuldig
Wien – Bisher verhielt sich die Regierung Viktor Orbáns eher zurückhaltend, was das Ende der regierungskritischen ungarischen Tageszeitung Népszabadság betrifft. Am Montagabend meldete sich Regierungssprecher Zoltán Kovàcs bei einer Diskussion von APA, Presserat und Presseclub Concordia in Wien zu Wort. Wer klare Worte oder gar ein Eingeständnis erwartet hatte, wurde enttäuscht.
Nicht Viktor Orbán, noch die rechtskonservative Fidesz-Regierung hätten mit dem plötzlichen Ende von Népszabadság zu tun, sondern lediglich die Gesetze des Marktes, sagte Kovács. Die Zeitung habe große Verluste gemacht. Jetzt die Regierung verantwortlich zu machen, sei unzu- lässig, sagte Kovàcs. Behauptungen, die Politik habe mit der Einstellung zu tun, sei ein „Narrativ, das die politische Opposition verbreitet“.
Mitte Oktober stellte der Eigentümer, der österreichische Verleger Heinrich Pecina, die auflagenstärkste Tageszeitung des Landes überfallsartig ein. Den beschäftigten Medienarbeitern wurde der Zutritt verwehrt, ihre EMail-Konten sind gesperrt.
Kurz darauf verkaufte Pecina die Zeitungsgruppe Mediaworks, zu der auch Népszabadság gehört, an die ungarische Opimus Press, die dem Umkreis des regierungsnahen Oligarchen Lörinc Meszaros zugerechnet wird. Népszabadság berichtete immer wieder über Korruption. Pecina habe nicht geplant, Népszabadság zu verkaufen, sagt Vizechefredakteur Marton Gergely. Er habe vielmehr diesen Sommer zugesagt, das Budget der Zeitung zu erhöhen. 80 zusätzliche Journalisten hätten danach angestellt werden sollen.
Ende nach Kritik
Die Juristin und Menschenrechtlerin Dalma Dajcsak von der ungarischen Gesellschaft für Freiheitsrechte (TASZ) stimmt zu: „Für alle, die in diesem öffentlichen Diskurs ein kritisches Bewusstsein haben, gibt es keinen Zweifel, dass Népszabadság aufgrund seiner regierungskritischen Position eingestellt wurde.“
All das zählt für Kovàcs in dieser Diskussion nicht, die mit Fortdauer des Abends zunehmend emotionaler wird. Auf die Frage, wer nun wirklich Eigentümer von Népszabadság sei, reagiert Kovács heftig: „Das ist wie eine Verhandlung hier. Ich werde nichts klären. Willkommen in der Welt des Kapitalismus. Das ist die Realität.“Die Diskussion sei „bizarr“, sagt Kovàcs: „Sie haben Ihre Version der Wahrheit, und sie ist nicht sehr objektiv.“
Den Westen nahm Erhard Busek in die Pflicht, der Vorstandsvorsitzende des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa: Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gab es „keine Strategie in Zusammenhang mit den Medien. Zuerst müssen wir uns selbst die Schuld dafür geben.“Speziell der Einkauf deutschsprachiger Unternehmen, wie der Funke-Gruppe, Hälfteeigentümerin von Krone und Kurier in den osteuropäischen Markt hatte „fürchterliche Folgen von Korruption“. Eine Diskussion dazu fehle bis heute. (prie)