Woher die Austro-Jihadisten kommen
In Deutschland gab es eine Großrazzia gegen den islamistischen Verein „Die wahre Religion“, der beschuldigt wird, in Wahrheit Jugendliche für den Jihad anzuwerben. Die im traditionellen Habitus der Salafisten (weiße Gebetskappe, Kinnbart, weißer Überrock, Hosen an den Knöcheln zusammengebunden) auftretenden Vertreter der Gruppe haben auch in Österreich auf den Straßen unter dem Slogan „Lies!“Koranausgaben verteilt. In Deutschland ist der Verein jetzt verboten, in Österreich beobachtet der VerfassungsD schutz „aufmerksam“. ie Großaktion beim deutschen Nachbarn lenkt wieder die Aufmerksamkeit auf die heimische Radikalenszene. Nach einer parlamentarischen Anfrage galten/gelten bei uns 287 Personen als tatsächliche und potenzielle Gotteskrieger und stehen deshalb unter polizeilicher Beobachtung, wobei nicht klar ist, wie dicht diese ist. Von den 287 dürften allerdings 44 bei den Kämpfen in Syrien umgekommen sein, 87 sind aus dem Konfliktgebiet zurückgekehrt, rund 50 konnten von vorneherein an der Ausreise gehindert werden (Stand Juli 2016). Es hat bereits Prozesse gegen Jihadisten gegeben, den größten in Graz.
Die brisanteste Stelle in der parlamentarischen Anfragebeantwortung ist die Mitteilung, dass 40 Prozent der potenziellen Jihadisten in Österreich Asylberechtigte sind. Es handelt sich aber nicht oder ganz überwiegend nicht um Flüchtlinge, die jüngst gekommen sind. Es sind vielmehr junge Männer (und vereinzelt junge Frauen), die schon lange in Österreich leben bzw. hier geboren sind. Die große Mehrzahl (nach manchen Angaben rund 50 Prozent) der AustroJihadisten hat einen tschetschenischen Hintergrund. Sie sind die Kinder der großen Flüchtlingswelle aus den
90er-Jahren, aus dem ersten und zweiten Tschetschenienkrieg, den die russische Zentralmacht (im zweiten Krieg bereits Putin) mit größter Erbarmungslosigkeit führte. Die Tschetschenen kämpfen im Kaukasus allerdings schon seit 200 Jahren gegen die russische Besatzung. Diese Tradition, ebenso wie die abgeschlossenen, männerdominierten Clanstrukturen, sowie ein besonders konservativer Islam haben zu hoher Gewaltbereitschaft und Kriminalität geführt. In Österreich leben etwa 30.000 Tschetschenen, nach Ansicht von Polizeiexperten „sicher eine Community mit Problemen“. Sie sind aber auch von den Handlangern des tschetschenischen Diktators Ramsan Kadyrow unterwandert, der sozusagen Putins Statthalter ist und dem jede Menge Morde zur Last gelegt werden. 2012 statteten der Wiener FPÖ-Chef Johann Gudenus und der außenpolitische FPÖ-Sprecher Johann Gudenus Kadyrow einen Freundschaftsbesuch ab.
Die zweite größere Jihadistengruppe sind die jungen Bosnier, deren Eltern Anfang der 90er-Jahre vor dem Jugoslawienkrieg flohen. Der Islam in Bosnien war an sich traditionell nicht radikal, das hat sich aber zuletzt unter saudiF schem Einfluss geändert. azit: Die jungen Tschetschenen und Bosnier, die in den Jihad zogen (ziehen wollten), haben sich also hier, in der westlichen Gesellschaft, radikalisiert. hans.rauscher@derStandard.at