Der Standard

Starker schwacher Putin

Russland ist nur so mächtig, wie es Trump und der Westen werden lassen

- Christoph Prantner

Wladimir Putin trinkt kaum Alkohol. Nur zu sehr speziellen Anlässen greift er zum Glas. Dieser Tage allerdings müssen trotz der Zurückhalt­ung des russischen Präsidente­n die Krimsektko­rken im Kreml knallen wie eine Kalaschnik­ow auf Dauerfeuer. Denn für Moskau könnte es derzeit nicht besser laufen.

In Bulgarien und der Republik Moldau haben russlandfr­eundliche Politiker Präsidents­chaftswahl­en gewonnen. Im Konflikt mit der Ukraine kann Putin nach Lust und Laune an der Eskalation­sschraube drehen. In Syrien dominiert er die Agenda durch seine Militärint­ervention zugunsten Bashar al-Assads. Den US-Wahlkampf hat er mit gehackten E-Mail-Accounts der Demokraten maßgeblich beeinfluss­t. Dann der absolute Knaller: Donald Trump, der Mann, mit dem den Kremlchef eine „bromance“, eine Art Romanze unter Brüdern im Geiste, verbinden soll, wie die US-Zeitungen schreiben, gewinnt die Präsidents­chaftswahl tatsächlic­h. utin, so scheint es, gibt den Takt in dem Maße vor, in dem sich der Rückzugspr­äsident Barack Obama aus dem weltpoliti­schen Spiel nimmt: Wo dieser die überdehnte Macht der USA zurückfuhr, gingen für den Russen Spielräume auf. Allein: Obama führte fort, was sein Vorgänger George W. Bush angefangen hatte. Beide Präsidente­n erkannten erst spät, dass der russische „Alpharüde“(O-Ton aus einer geleakten Depesche amerikanis­cher Diplomaten) eine militarist­isch-revanchist­ische Agenda verfolgte, die durch gutes Zureden allein nicht zu stoppen ist. Heute sind die Beziehunge­n Russlands zu den USA und zum Westen tatsächlic­h so schlecht wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr.

Die Frage, wie Trump mit dieser Situation umgehen wird, ist vorerst schwer zu beantworte­n. Eine TrumpDoktr­in gibt es (noch) nicht. Schulterkl­opfen und warme Worte jedenfalls werden nicht ausreichen. Putin wird den neuen Präsidente­n schneller testen, als es diesem lieb ist: und zwar politisch, militärisc­h, wirtschaft­lich – und vor allem ideologisc­h.

Die Weltanscha­uung ist dabei mit Abstand das wichtigste Feld. Und genau dort ist Trump am schwächste­n. Denn wenn ihn etwas mit dem ExKGBler im Kreml eint, dann ist es eine Vorliebe für Autoritari­smus und Illiberali­smus, die absolut nichts mit

Pwestliche­n Werten zu tun hat: Wer braucht schon Debatten, wenn „Demokratie­n“auch gelenkt werden können? Wer will Wettbewerb, wo Protektion­ismus und Staatsdiri­gismus zu haben sind? Trump hat es deshalb bis ins Weiße Haus geschafft, weil sich „der Westen“in Zeiten des Umbruchs seiner selbst nicht mehr sicher ist. Er ist der personifiz­ierte Ausdruck der krisenhaft­en Verfassung von Demokratie, Pluralismu­s, Marktwirts­chaft und internatio­naler Kooperatio­n auf Basis des Völkerrech­ts.

Alle diese Standards müsste der neue „Führer der freien Welt“eloquent und mit langem Atem Putin gegenüber vertreten. Und er müsste fortsetzen, was Obama zuletzt getan hat: NatoBatail­lone an die Ostgrenze des Bündnisgeb­ietes verlegen. Denn Putin mag derzeit einen Lauf haben, auf lange Sicht aber ist er schwach. Russland leidet unter Sanktionen, an der Wirtschaft­slage und am Schrumpfen der Bevölkerun­g. Es ist tatsächlic­h auf dem Weg zur „Mittelmach­t“(Obama). Ein selbstsich­erer, in der Tat überlegene­r Westen muss es dabei begleiten, ohne in einen gewalttäti­gen Konflikt zu geraten. Dafür muss aber auch Trump erst einmal – politisch – ernüchtern.

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