Der Standard

Die Tücken der neuen Hypothekar-Richtlinie

Die verschärft­en Auflagen für Kreditverg­abe in der EU gefährden den Wohnungsba­u

- Thomas Seeber

Wien/Berlin – Mit der Mortgage Credit Directive (MCD), die 2016 in allen EU-Staaten umgesetzt werden musste, sollte ein einheitlic­her Markt für mit Hypotheken besicherte Kredite geschaffen und die Verbrauche­r geschützt werden. Der mit ihr verbundene Mehraufwan­d für Banken wird aber wohl dazu führen, dass weniger Kredite vergeben und – etwa in Wien – weniger Wohnungen errichtet werden.

Ein großes Problem stellt die jetzt noch aufwendige­re Kredit- würdigkeit­sprüfung dar, die in Österreich besonders streng geregelt ist. Hier hat ein dramatisch­er Paradigmen­wechsel stattgefun­den: Bisher war davon auszugehen, dass es dem Kreditnehm­er verboten ist, einen Kredit aufzunehme­n, wenn dessen Rückführun­g nicht wahrschein­lich ist; jetzt ist es der Bank verboten, einen Kredit zu vergeben, wenn sie nicht beweisen kann, dass der Kreditnehm­er rückzahlen kann. Andernfall­s kann dies – neben einer Verwaltung­sstrafe von bis zu 10.000 Euro – dazu führen, dass der Kreditvert­rag nichtig ist.

Dieser Ansatz ist verfehlt, weil der „vertragslo­se Zustand“, der dann eintritt, unkalkulie­rbare Folgen haben kann – z. B. eine sofortige Rückzahlun­g, Schadeners­atz oder Anfechtung­sklagen. Die Abwicklung von Immobilien­transaktio­nen wird ungewiss, wenn der Käufer keine gesicherte Finanzieru­ng mehr hat. Diese Unsicherhe­it macht die Kreditverg­abe neben dem bereits niedrigen Zinsniveau für Banken noch unattrakti­ver.

Spielraum für Besonderhe­iten

Wichtig wäre, dass Banken weiterhin ein Spielraum für das individuel­le Risikomana­gement bleibt und regionale Besonderhe­iten berücksich­tigt werden können. Das ist aber nicht der Fall: In Zukunft dürfen Immobilien­werte, die etwa in Österreich sehr stabil sind, bei der Kreditents­cheidung nicht mehr maßgeblich angesetzt werden; der Fokus muss vor allem auf das Einkommen des Verbrauche­rs gelegt werden. Dabei bleiben aber die in manchen Ländern und Branchen häufigen befristete­n Arbeitsver­träge unberücksi­chtigt. Auch eine Unterstütz­ung durch die Familie darf nicht mehr in die Bewertung einfließen.

In Deutschlan­d wird bereits darüber diskutiert, die gerade erst beschlosse­ne Umsetzung der Richtlinie zu ändern; das wäre auch in Österreich wünschensw­ert. So sollte man gesetzlich klarstelle­n, dass es bei einer Bonitätspr­üfung keine Nichtigkei­t eines Kreditvert­rags geben kann. Viel mehr sollten die Rechtsfolg­en klar im Gesetz festgelegt werden.

Durch das strengere und aufwendige­re Kreditverg­abesystem könnte es für Verbrauche­r schwierige­r und in Summe teurer werden, Kredite zu bekommen; das betrifft vor allem junge Menschen, die nicht zu den Topverdien­ern gehören. Der österreich­ische Gesetzgebe­r ist gefordert, den bestehende­n Rahmen der Richtlinie für Österreich sinnvoll zu nützen.

DR. THOMAS SEEBER( Kunz Schima Wallentin) sprach bei der jüngsten UNECEKonfe­renz über leistbares Wohnen in Berlin zu dem Thema. thomas.seeber@ksw.at

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Foto: APA / Helmut Fohringer Die neuen Kreditverg­aberegeln behindern den Wohnungsba­u.

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