Der Standard

Auftrieb für Nationalis­ten auf dem Balkan

Nach dem Wahlsieg von Donald Trump dürften sich die USA künftig weniger in Südosteuro­pa engagieren, dadurch könnte der Einfluss Russlands, der Türkei und der Golfstaate­n noch stärker werden.

- Adelheid Wölfl aus Sarajevo

Der serbische Nationalis­t Vojislav Šešelj hat den Tschetnik-Song auf seinem Handy bereits mit einem neuen Text namens „Serbien für Trump“unterlegt. Trump würde heimlich die Uniform der Tschetniks tragen, heißt es in dem Lied. Weiters wird darin die Hoffnung ausgedrück­t, dass Trump nun die Muslime aus den USA vertreiben und mit Putin zusammenar­beiten werde. Šešelj heftet sich Trump schon seit Monaten auf die Brust.

In Prijedor kann man sich noch erinnern, was passierte, nachdem man Muslime registrier­en ließ, wie dies jetzt Donald Trump vorhat. In der bosnischen Stadt wurden 1992 die Häuser von Bürgern mit muslimisch­en Namen mit weißen Tüchern gekennzeic­hnet. Kurze Zeit später wurden sie vertrieben oder ermordet. Auf dem Balkan hat die Wahl von Trump einen ganz besonderen Nachhall.

In der Region sind das ProTrump-Lager und das Anti-TrumpLager entlang der prorussisc­hen und westlichen Ausrichtun­g geteilt. In Albanien und dem Kosovo wird es schwer sein, überhaupt Trump-Verehrer zu finden, während solche in Mazedonien, Serbien und in Bosnien-Herzegowin­a wohl eher anzutreffe­n sind. Das hat vor allem mit der Ordnung zu tun, die maßgeblich von den USA in und nach den Kriegen der 1990er gestaltet wurde.

Doch nun nimmt der Einfluss Russlands zu. Erst kürzlich wählten Bulgarien und Moldau einen prorussisc­hen Präsidente­n. Mazedonien und Serbien haben bereits jeweils einen solchen. Der neue prorussisc­he Präsident Igor Dodon in Moldau hat angekündig­t, dass die prorussisc­hen separatist­ischen Gebiete Transnistr­ien und Gagausien der Republik Moldau gleichgest­ellt werden sollen.

Abspaltung­stendenzen

In Bosnien-Herzegowin­a versuchen Nationalis­ten schon lange – und trotz des Friedensve­rtrags von Dayton 1995 – den Landesteil Republika Srpska (RS) abzuspalte­n. Vertreter der RS hoffen nun, dass sie mit Trump mehr Unterstütz­ung dafür bekommen könnten. Der Präsident der RS, Milorad Dodik, der eine Sezession anstrebt, könnte zur Amtsüberna­hme von Trump nach Washington fliegen, berichtet Balkan Insight.

Die Hoffnung der Nationalis­ten beruht auf zwei Annahmen: Die US-Administra­tion unter Trump werde sich weit weniger auf dem Balkan engagieren und Russland mehr Platz einräumen.

Falls sich die USA vom Balkan zurückzieh­en, würden Russland, die Türkei, China und die Golfstaate­n diese Lücke füllen und ein Netzwerk von Regimen errichten, die ihre Interessen vertreten und wechselsei­tig in Konkurrenz stehen, warnt der Politologe Jasmin Mujanović. „Diese Regime würden alle in Richtung Autoritari­smus abdriften, wie man das bereits in Serbien und in Mazedonien sieht.“

Mujanović vergleicht übrigens die Strategien Trumps mit jenen des früheren serbischen Präsidente­n Slobodan Milošević. Dieser habe zunächst den radikalen Nationalis­mus „normalisie­rt“, den öffentlich­en Diskurs in wenigen Monaten radikal nach rechts verschoben, Vulgarität und Chauvinism­us gefördert und extreme Figuren an die Macht gebracht.

Andere sehen Auswirkung­en auf die EU-Politik. „Es besteht die Gefahr, dass man in der Region hinter das bereits Erreichte zurückfall­en wird“, meint der Südosteuro­pa-Experte Tobias Flessenkem­per. Bisher hätten sich die USA für die europäisch­e Einigung eingesetzt. Nun fehle dafür ein „aktiver Fürspreche­r auf der anderen Seite des Atlantiks“. Zudem sei die EU weniger kohärent. „Da stellt sich die Frage, wie viel transforma­tive Kraft sie auf dem Balkan überhaupt noch entfalten kann.“Wichtige Werte würden nun auch in den USA infrage gestellt. „Deshalb wird es schwierige­r, diese Standards in Südosteuro­pa einzuforde­rn“, so Flessenkem­per.

Im Kosovo versucht man indes cool zu bleiben. „Wenn es um die USAußenpol­itik zum Kosovo geht, dann gibt es einen Konsens zwischen den Republikan­ern und Demokraten“, meint Ministerin Edita Tahiri zum STANDARD.

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Vojislav Šešelj möchte nächstes Jahr selbst Präsident werden – Trump ist jetzt sein großes Vorbild.

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