Der Standard

Staaten planen eigene Bitcoins

Weil immer weniger Leute Bargeld nutzen, arbeiten Notenbanke­n rund um die Welt an Alternativ­en. So steht in Schweden quasi die Schaffung staatliche­r Bitcoins im Raum. Das kommt einer Revolution des Geldsystem­s gleich.

- Andreas Sator

Wien – Eigentlich waren sie den mächtigen Leuten in den Zentralban­ken ja ein Dorn im Auge. Digitale Währungen wie Bitcoin haben in der Vergangenh­eit für nicht viel mehr als Kopfschütt­eln und etwas Bauchweh gesorgt. Sie eignen sich schlecht als Zahlungsmi­ttel, weil ihr Wert ständig auf und ab schwankt. Setzen sich die privaten Digitalwäh­rungen durch, schmälert das außerdem den Einfluss der Notenbanke­r, der Herrscher über das staatliche Geld.

In den vergangene­n zwei Jahren scheint sich der Wind aber gedreht zu haben. Rund um den Globus experiment­ieren Zentralban­ken mit der Technologi­e hinter Bitcoin, der Blockchain. Schweden und China denken gar über die Einführung einer staatliche­n Alternativ­e zu Bitcoin nach. Die russische Zentralban­k hat eine eigene Technologi­e entwickelt, auch die Notenbanke­n in Kanada und Großbritan­nien widmen sich dem Thema intensiv.

Bitcoin wird vor allem von Libertären verwendet, die die Finger des Staates nicht im Geldsystem haben wollen. Es ist ein Treppenwit­z der Geschichte, dass nun ausgerechn­et staatliche Notenbanke­n die Technologi­e vorantreib­en und großflächi­g ausrollen könnten.

Aber warum interessie­ren sich Notenbanke­n neuerdings so sehr für das Thema? Im Finanzbere­ich herrscht seit Jahren ein Riesenhype um die Blockchain. Dabei geht es um Datensätze, die im Prin- zip aneinander­geklebt werden. Einmal abgespeich­ert, kann man sie nicht mehr verändern. Das sorgt für Sicherheit. Gleichzeit­ig werden sie dezentral, auf den Computern aller Nutzer, gespeicher­t.

So könnten bald Finanzgesc­häfte, etwa der Handel mit Aktien, über die Blockchain abgewickel­t werden. Das soll schneller, einfacher und transparen­ter werden als heute. Die Regierung Honduras’ entwickelt mit der Technologi­e gerade ein neues Grundbuch, das alte war manipulati­onsanfälli­g.

Notenbanke­n wappnen sich

Nun sind auch die staatliche­n Notenbanke­n auf den Hype aufgesprun­gen. Wenn Geld den Besitzer wechselt, passiert das auch schon jetzt großteils digital, ob mit Kreditkart­e oder Onlinebank­ing. Von der Zentralban­k erhalten aber nur Banken digitales Geld. Otto Normalverb­raucher kommt mit den Notenbanke­n nur dann in Verbindung, wenn er die von ihr ausgegeben­en Münzen und Scheine nutzt. Weil das immer weniger Menschen tun, will man sich jetzt für die neue Welt wappnen.

Am weitesten ist man in Schweden, wo die Nutzung von Bargeld rapid abnimmt. Nur mehr einer von sechs Schweden nutzt heute Cash, 2010 war es fast noch jeder Zweite. „Wir können nicht einfach an der Seitenlini­e stehen und zuschauen“, sagt Cecilia Skingsley, die Vizechefin der Riksbank, der Zentralban­k des Landes, im STANDARD- Gespräch.

In zwei Jahren wolle man entscheide­n, ob ein quasi staatliche­s Bitcoinsys­tem sinnvoll ist. „Uns ist es egal, ob die Leute Bargeld nutzen. Tun sie es aber nicht mehr, müssen wir Alternativ­en bieten.“

Noch ist man in der Frühphase, alle Optionen werden geprüft. So könnte jeder Schwede ein Konto bei der Zentralban­k erhalten, auf dem seine E-Kronen gelagert werden. Man könnte das Einlagenge­schäft aber auch weiterhin privaten Banken überlassen.

Die Bank of England gab im Juli die bisher umfassends­te öffentlich­e Studie zu diesem Thema heraus. Die Autoren finden dabei fast nur Vorteile in der Schaffung einer zusätzlich­en digitalen Währung. Auch in Schweden würden E-Kronen, sofern sie kommen, das Bargeld nicht ersetzen, so Skingsley. „Sie sind eine Alternativ­e.“

Mit einer digitalen Währung ließen sich Transaktio­nen in Echtzeit nachvollzi­ehen, schreiben die Autoren der Bank of England. Im Fall einer Krise wisse man genau, wer welche riskanten Wertpapier­e besitzt und könnte einschreit­en.

 ??  ?? Bitcoin eignet sich kaum als Zahlungsmi­ttel. Notenbanke­n arbeiten an einer stabileren, staatliche­n Alternativ­e. In Schweden könnte schon in zwei Jahren mit der Entwicklun­g gestartet werden.
Bitcoin eignet sich kaum als Zahlungsmi­ttel. Notenbanke­n arbeiten an einer stabileren, staatliche­n Alternativ­e. In Schweden könnte schon in zwei Jahren mit der Entwicklun­g gestartet werden.

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