Welche Postings im Wahlkampf verschwinden
Auf den Facebook-Seiten von Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen wurden im Zeitraum von drei Wochen rund 3400 Kommentare entfernt. Dabei handelte es sich vor allem um sachliche Kritik und Beleidigungen.
Wien – Der Einfluss der sozialen Medien auf den Bundespräsidentschaftswahlkampf ist unbestritten. Beide Kandidaten bespielen ihre Facebook-Seiten regelmäßig mit Inhalten – und beschweren sich über das raue Klima im Netz. Gleichzeitig klagen viele Nutzer, dass ihre kritischen Kommentare von den Seiten der Kandidaten verschwunden sind. der STANDARD hat sich angesehen, welche Postings entfernt werden, und bei beiden Kandidaten tatsächlich viele Kommentare mit konstruktiver Kritik gefunden, die nicht mehr abgerufen werden können.
Möglich wird diese Recherche, indem computergestützt regelmäßig alle Kommentare der Seite gespeichert werden. Dadurch kann herausgefunden werden, welche Kommentare früher einmal vorhanden waren, jetzt aber nicht mehr einsehbar sind. Diese Beiträge können entweder vom Nutzer selbst, von Facebook nach einer Meldung oder von den Betreibern der Seiten, also den jeweiligen Wahlkampfteams, entfernt worden sein. Feststellen lässt sich dies nicht. Einige Nutzer, die der STANDARD kontaktiert hat, gaben jedoch an, ihre Kommentare nicht selbst entfernt zu haben.
Kritik an Hofer verschwindet
Von der Facebook-Seite von Norbert Hofer verschwanden im dreiwöchigen Untersuchungszeitraum rund 1800 von insgesamt 14.700 Postings. Bei mehr als der Hälfte davon (rund 55 Prozent) handelt es sich um Beiträge, die vom STANDARD als konstruktive Kritik eingestuft werden. Beson- ders häufig verwiesen Nutzer etwa auf eine Videoserie des Falter, in der „Rhetorik-Tricks“von Norbert Hofer analysiert werden. Auch Kritik an Hofers Aussage, keine muslimischen Pflegekräfte zu kennen, wurde entfernt.
Die FPÖ sagt dazu, dass es „in letzter Zeit verstärkt zu offenbar verabredeten Aktionen von Nutzern aus dem VdB-Lager“komme. Die Seite von Norbert Hofer sei „nicht der geeignete Ort für Facebook-Flashmobs“. Rund zehn Pro- zent der gelöschten Postings wurden als Beleidigungen kategorisiert. Darunter fanden sich viele Übergriffe auf Hofers Familie. Die Anzahl an Gewaltdrohungen befand sich bei beiden Kandidaten im einstelligen Bereich.
Beleidigungen und Lob
Auf Van der Bellens FacebookSeite werden überwiegend Beleidigungen gelöscht (30 Prozent der entfernten Kommentare), aber auch konstruktive Kritik (21 Pro- zent) verschwindet von der Seite. In vielen entfernten Kommentaren beschwerten sich Nutzer etwa über den „Alpenmordor“-Sager des Kandidaten und forderten ihn zu einer anderen Wortwahl auf. Van der Bellens Wahlkampfteam betont, dass inhaltliche Kritik nicht gelöscht werde. Wenn sich ein Nutzer aber an anderer Stelle beleidigend äußere, werde er blockiert, wodurch alle seine Kommentare verschwinden könnten.
Aus der Perspektive von SocialMedia-Experten ergibt ein Löschen konstruktiver Kritik wenig Sinn. „Heute kann ich es mir nicht mehr leisten, auf Kritik nicht einzugehen und diese im Papierkorb verschwinden zu lassen“, sagt Thomas Meyer, Head of Sales des Social-Media-Management-Tools Swat.io und Lektor an der FH Kufstein. Jedwede „pornografischen, gewaltverherrlichenden, rassistischen oder hetzerischen Inhalte“müssten laut Meyer jedoch „augenblicklich gelöscht werden“.
Zu definieren, wo die Grenze zwischen Kritik und Beleidigung zu verorten ist, kann schwierig sein, sagt Ingrid Gogl von der Social-Media-Agentur Datenwerk: „Kritik kann schließlich durchaus auch mal unsachlich, aber dennoch begründet sein.“Außerdem müsse eine Beleidigung laut Gogl nicht immer so schlimm gemeint sein, wie sie beim Empfänger ankomme. Die beiden Kandidaten waren sich am Sonntag im TV-Duell auf ATV jedenfalls einig, dass eine Abrüstung der Worte nötig sei. Dieser Beitrag entstand in Kooperation mit dem Alexander-von-Humboldt-Institut für Internet und Gesellschaft in Berlin im Rahmen eines von der Volkswagenstiftung geförderten Forschungsprojekts. pGrafik und mehr Info: dSt.at/Web