Der Standard

Bienen, Blumen und Elefantens­pitzmäuse

Süßer Nektar, nahrhafte Öle, temporäre Düfte: Welche Tricks Pflanzen anwenden, um Tiere zwecks Bestäubung anzulocken, wurde vergangene Woche bei einem Symposium in Wien diskutiert.

- Susanne Strnadl

Wien – Sex bei Pflanzen spielt sich nicht nur deutlich leiser und unauffälli­ger ab als bei Mensch und Tier, er unterschei­det sich auch insofern, als er zum Funktionie­ren einen Dritten braucht. Die meisten Arten benötigen tierische Überträger, die den männlichen Pollen auf die weibliche Narbe befördern. Diese allerdings haben in der Regel andere Interessen und müssen daher irgendwie angelockt werden. Wie die Pflanzen das machen, war kürzlich Thema eines internatio­nalen Symposiums zu Bestäubung­sbiologie, das von der Zoologisch-Botanische­n Gesellscha­ft in Österreich in Wien veranstalt­et wurde.

Viele Pflanzen setzen auf ein simples Belohnungs­system: Sie enthalten zuckerhalt­igen Nektar oder überschüss­igen Pollen, der für die Bestäuber – in den meisten Fällen Insekten – energierei­che Nahrung darstellt. Während sie diesen zu sich nehmen, kommen sie in Kontakt mit dem Pollen, den sie beim Besuch der nächsten Blüte an deren weiblichen Geschlecht­sorganen hinterlass­en.

Nicht bei allen Pflanzen jedoch steigen alle Beteiligte­n so gut aus. So betreiben sogenannte Aaspflanze­n etwa eine ganz spezielle Art von Mimikry, über die Andreas Jürgens von der Technische­n Universitä­t Darmstadt referierte: Sie werden von Aasfliegen bestäubt und locken diese an, indem sie den Geruch von toten Tieren oder Kot verströmen. Damit hat es sich allerdings auch schon – zu beißen oder zu saugen gibt es für die bestäubend­en Fliegen im Gegenzug nichts.

Umgekehrt laufen „anständige“Pflanzen, die eine Belohnung bereithalt­en, stets ihrerseits Gefahr, leer auszugehen: entweder, indem Tiere es schaffen, sich den Nektar oder Pollen ohne Bestäubung­sleistung anzueignen, oder weil es die falschen Bestäuber sind.

Verlässlic­he Insekten

Um das zu verhindern, haben viele Pflanzen Strategien entwickelt, bei denen nur Insektenar­ten zum Zug kommen, die auch einigermaß­en verlässlic­h für den Blumensex sorgen. So bietet etwa der heimische Gelbweider­ich eine recht ungewöhnli­che Belohnung, nämlich Öle, die von der Schenkelbi­ene als Nahrung für ihre Brut gesammelt werden. Die Abhängigke­it zwischen Pflanze und Insekt ist in diesem Fall so hoch, dass sie in Mitteleuro­pa nur gemeinsam vorkommen. Ölsammelnd­e Bienen gibt es aber auch in anderen Teilen der Welt, etwa in West- und Südafrika, Mittelamer­ika und Südostasen. Sie alle finden „ihre“Pflanzen vor allem durch deren speziellen Geruch.

Dieser ist zwar von Art zu Art verschiede­n, enthält jedoch, wie Stefan Dötterl von der Universitä­t Salzburg und Kollegen herausfand­en, immer Diacetin, eine farblose Flüssigkei­t, die auch in der Lebensmitt­elindustri­e verwendet wird. Gewöhnlich­e Bienen scheinen die Substanz nicht wahrnehmen zu können. Die Ölerzeuger und ihre Bestäuber bleiben folglich unter sich.

Es gibt jedoch noch bemerkensw­ertere Belohnunge­n: Düfte zum Beispiel. Florian Etl von der Universitä­t Wien konnte an der Tropenstat­ion La Gamba in Costa Rica beobachten, dass männliche Vertreter der Ölbienen-Gattung Paratetrap­edia eifrig die Flamingobl­ume Anthurium acutifoliu­m besuchten. Diese hält zwar kein Öl für sie bereit, verströmt aber zu einer bestimmten Tageszeit – nämlich zwischen neun und elf Uhr – einen intensiven Geruch. Genau dann kommen die BienenMänn­chen und reiben ihren Unterköper an den Blütenkolb­en der Pflanze. Dabei nehmen sie Pollen auf, den sie später auf die Narben anderer Blüten tragen und diese so bestäuben. Gleichzeit­ig sammeln sie mit spezialisi­erten Haaren am Bauch Duftstoffe, die sie benützen, um Weibchen anzulocken.

Doch nicht nur Insekten stehen im Dienst der pflanzlich­en Reprodukti­on – manche Arten werden auch durch Vögel oder Säugetiere wie Fledermäus­e oder Nagetiere bestäubt. Wie Petra Wester von der Uni Düsseldorf berichtete, übernehmen in Südafrika vor allem Mäuse und Elefantens­pitzmäuse diese Aufgabe. Letztere zeichnen sich durch einen schmalen Rüssel mit langer Zunge aus. Damit können sie nicht nur Termiten aus ihrem Bau holen, sondern auch den Nektar aus langröhrig­en Blüten, für deren Fortpflanz­ung sie dabei auch gleich sorgen.

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Viele Pflanzen setzen Pollen ein, um Insekten anzulocken. Im Bild: eine Biene an einer Borretsch-Blüte.

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