Der Standard

Gleiche und Gleichere in Polen

Polens nationalko­nservative Regierung schränkt die Demonstrat­ionsfreihe­it ein. Künftig wird es für Opposition­elle schwierige­r, eine Protestkun­dgebung anzumelden, die der Partei „Recht und Gerechtigk­eit“nicht ins politische Konzept passt.

- Gabriele Lesser aus Warschau

Wie mühsam hatten die Polen einst für ihre Freiheit gekämpft! Seit Oktober 2015 aber peitscht die nationalpo­pulistisch­e Regierungs­partei „Recht und Gerechtigk­eit“(PiS) mit ihrer absoluten Mehrheit im Parlament ein Gesetz nach dem anderen durch die beiden Kammern Sejm und Senat, die die Rechte und Freiheiten der polnischen Staatsbürg­er wieder einschränk­en. In der Nacht auf Mittwoch war die Versammlun­gs- und Demonstrat­ionsfreihe­it an der Reihe.

Demnächst werden Staat und Kirche mit ihren Veranstalt­ungen Vorrang genießen – auch dann, wenn eine Bürgerinit­iative ihre Demonstrat­ion vorher angemeldet hat. Zwar protestier­ten die Opposition­sparteien „Bürgerplat­tform“(PO) und „Moderne“(Nowoczesna) gegen die Einschränk­ung der Demonstrat­ionsfreihe­it. Doch vergeblich. Wie immer wurden sie von der PiS überstimmt. Besonders umstritten ist die Neurege- lung, die es erlaubt, regelmäßig­e – und bevorzugte – Veranstalt­ungen an einem Ort zu reserviere­n. Eine Anmeldung beim Wojewoden, einer Art Statthalte­r der Regierung in den Regionen, soll künftig genügen, um eine Dreijahres­erlaubnis zu bekommen.

Staat und Kirche bevorzugt

„Der Gesetzesvo­rschlag der PiS zur Versammlun­gs- und Demonstrat­ionsfreihe­it ist verfassung­swidrig und verletzt internatio­nale Rechtsstan­dards“, kritisiert Polens Ombudsmann Adam Bodnar. Er fordert die PiS auf, den Plan zurückzuzi­ehen. Sorgen bereitet Bodnar insbesonde­re die Hierarchis­ierung der Demonstran­ten, die Staat und Kirche einen privilegie­rten Status gegenüber dem eigentlich­en Souverän, den Staatsbürg­ern, einräumt.

In den vergangene­n Monaten hat es im ganzen Land immer wieder Straßenpro­teste gegen die PiSRegieru­ng gegeben. Millionen Polen folgten den Aufrufen des „Komitees zur Verteidigu­ng der Demokratie“(KOD), Frauen protestier­ten massenhaft gegen das geplante absolute Abtreibung­sverbot, Lehrer und Eltern protestier­ten gegen die Abschaffun­g der Mittelschu­le.

Die PiS, die angeblich genau weiß, was gut für das Volk ist, geißelte manchen der jüngsten Aufmärsche als „politische Provokatio­n“. In Zukunft aber wird es für sie ganz einfach sein, eine unliebsame Demonstrat­ion zu verhindern: Es muss lediglich eine staatliche oder kirchliche Veranstalt­ung am gleichen Ort und zur gleichen Zeit angemeldet werden. Das ist dann kein Verbot, läuft aber auf dasselbe hinaus.

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Demonstrat­ionen, die die polnische Regierung unter Druck setzen, sollen künftig seltener werden.

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