Der Standard

Arbeitsunw­illig: Wirtschaft darf keine Daten sammeln

Datenschut­zbehörde erklärt Aufrufe der Kammern in Tirol und Oberösterr­eich für unzulässig

- Günther Oswald

Wien – Am Problem habe sich nichts geändert, ist Erhard Prugger überzeugt. Es gebe eine steigende Zahl an Menschen, die unmotivier­t zu Bewerbungs­gesprächen kommen und zumutbare Stellen nicht annehmen. Als Beleg dafür sieht der Leiter der Abteilung Sozialpoli­tik in der Wirtschaft­skammer Oberösterr­eich die Zahlen des AMS: Auf 40.000 Arbeitslos­e in seinem Bundesland kämen 14.000 offene Stellen.

Im Sommer hat die Landeskamm­er – wie auch jene in Tirol – deshalb Unternehme­n via Newsletter dazu aufgerufen, ihr Arbeitslos­e zu melden, die sich nur den Stempel für das AMS abholen und gar keinen Job wollen. Die Aktion hat für heftige Kritik gesorgt, nach einem Bericht des STANDARD hat die Datenschut­zbehörde amtswegige Prüfverfah­ren eingeleite­t. Nun liegen die Entscheidu­ngen vor: „Die zum Zweck der Erwirkung einer Sperre des Arbeitslos­engeldes erfolgte Ermittlung von personenbe­zogenen Daten (Name) arbeitsunw­illiger Arbeitslos­er durch die Antraggegn­erin möge zukünftig unterbleib­en“, heißt es im Bescheid an die Oberösterr­eicher.

Diese Empfehlung – rechtsverb­indlich ist sie formal gesehen nicht – sei „umgehend umzusetzen“. Daran werde man sich selbstvers­tändlich auch halten, sagt Prugger. Auch der Direktor der Wirtschaft­skammer Tirol, Thomas Köhle, erklärt auf Anfrage, man werde die Empfehlung­en umsetzen.

Befugnis fehlt

Warum darf die Wirtschaft­skammer nun keine Daten sammeln? Die Datenschut­zbehörde weist darauf hin, dass nur das Arbeitsmar­ktservice prüfen dürfe, ob die Voraussetz­ungen für eine Sperre des Arbeitslos­engeldes vorliegen. Eine rechtliche Befugnis der Wirtschaft­skammer zur Ermittlung von personenbe­zogenen Daten sei „nicht vorgesehen“. Nur wenn das AMS ein Amtshilfee­rsuchen an die Kammer gestellt hätte, hätte diese bei der Datenerheb­ung mitwirken dürfen.

Eine „Schreibtis­chidee“, wie WKO-Vertreter Prugger findet. Ein formelles Ersuchen des AMS werde es nicht geben. Realpoliti­sch er- scheint ein solches tatsächlic­h unwahrsche­inlich. Sitzen doch in den AMS-Landesdire­ktorien auch die Arbeitnehm­ervertrete­r, die zum Teil keine Freude mit der Kammerinit­iative hatten.

Künftig wird es also keine aktiven Aufrufe der Arbeitgebe­rvertreter mehr geben. Wahnsinnig viele Meldungen dürfte es ohnehin nicht gegeben haben. In Oberösterr­eich war zu Beginn der Aktion von „mehreren Fällen“pro Woche die Rede. Heute will Prugger keine Zahlen nennen, spricht nur von einem steigenden Bewusstsei­n bei den Firmen. In Tirol wurden der Kammer gar keine konkreten Namen genannt.

Bei Sperren des Arbeitslos­engeldes spielt Arbeitsunw­illigkeit ohnehin nur eine untergeord­nete Rolle. Von 102.431 Sperren im Vorjahr gingen nur etwas mehr als 14.000 auf verweigert­e Job- und Umschulung­sangebote sowie auf Verstöße gegen die Zumutbarke­itsbestimm­ungen zurück. Die allermeist­en Sperren erfolgen wegen versäumter AMS-Kontrollte­rmine.

Firmen, die das Gefühl haben, es mit Arbeitsunw­illigen zu tun zu haben, können sich aber – wie schon bisher – an das AMS wenden. Wenn die Meldung in Kopie an die Wirtschaft­skammer gehe, könne aber auch niemand etwas machen, sagt Prugger. Er gehe daher davon aus, dass sich in der Praxis nicht viel ändern werde.

Ob danach eine Sperre erfolgt, erfährt der Betrieb aber nicht – aus Datenschut­zgründen. Auch das könnte, so vermutete AMS-Chef Johannes Kopf zuletzt, ein Grund für die seltenen Meldungen sein.

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Foto: Reuters Nur das AMS darf Daten über Arbeitsunw­illige speichern.

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