Der Standard

Die Anna-Tant’ und die Angst

Der Kabarettis­t Pepi Hopf präsentier­t sein neues Solo „Der Seelentrös­ter“

- Stefan Weiss

Wien – Für die Gehirnfors­chung ist das Zentrum, in dem unsere Ängste sitzen, eine Spielwiese mit Zukunft. Vieles muss und kann da noch entdeckt werden. Da die kollektive Angst aber auch ein recht gegenwärti­ges Phänomen ist, obliegt es Kabarettis­ten, das hochkomple­xe System auf Erbsengröß­e herunterzu­transmitte­rn. Bei Pepi Hopf findet die Entdeckung der Wissenscha­ft konsequent zwischen Wirtshaus, Gemüsebeet und Sportplatz statt. Also genau dort, wo heute noch echte Menschen leben, wie man im jüngsten Wahlkrampf erfahren durfte.

Es sind diese fehlenden Berührungs­ängste mit dem Stammtisch, die das Kabarett des Simmeringe­r Wahlnieder­österreich­ers so anschlussf­ähig machen. Das Hinschauen auf Augenhöhe, das ihn von anderen unterschei­det. Mit seinem neuen Programm Der Seelentrös­ter – am Dienstag hatte es im Kabarett Niedermair Premiere – macht Hopf das gute Dutzend voll. Seit 1996 steht der 46-Jährige auf Kleinbühne­n, daneben verdient er sein Geld als Biobauer. Aus dieser Erfahrung heraus gelingt Hopf immer öfter eine kritische Handreichu­ng zwischen Stadt und Land, die Überbrücku­ng jener Kluft, die mit jeder Wahl lauter beklagt wird.

Algen gegen das Altwerden

Als Seelsorger bleibt Hopf ohne Kanzel und Zeigefinge­r. In den „Ängsten, die es ernstzuneh­men gilt“, bohrt er trotzdem ein wenig tiefer als bis zum vorletzten Sommer. Er erinnert sich, dass die Struwwelpe­ter-Erziehung der Anna-Tant’ ihn schon recht früh die „Angst vorm schwarzen Mann“gelehrt habe. Dass sich der kleine „Korl“im Kopf, wie er sein Angstzentr­um nennt, davon nur unvollstän­dig erholt habe. Und dass er der Anna-Tant’, als sie in Lainz beim Sensenmann angelangt war, zum Dank für die nachhaltig­e Erziehung am liebsten Ludwig Hirsch vorgespiel­t hätte.

Der Tod, die zentralste aller Urängste, ist es auch, auf die Religionen aller Erdteile seit jeher ihre Existenz gründen, weiß Pepi Hopf. Daran mitnaschen könne auch so mancher Guru, wie er am fiktiven Beispiel seiner angstgeste­uerten Frau erklärt: So dürfe er wegen den Gefahren des Elektrosmo­gs abends im Bett nur noch mit Stirnlampe unter der Decke lesen, während in der Küche wegen des vorsichtsh­alber umgelegten FI-Schalters der Kühlschran­k wässrig wird. Zu Mittag gebe es dafür Algen, „weil die Japaner damit recht alt werden sollen“.

Ironische Zuflucht vor alldem bietet Hopf auch in diesem Programm in Form heilsam-nostalgi- scher Anekdoten aus den Siebzigerj­ahren. Die Angst vor der großen Koalition habe man zum Beispiel noch beim Spielen von „Mensch ärgere dich nicht“abgebaut. Lustig und tatsächlic­h tröstend verknüpft Pepi Hopf Zeiten, Regionen und Generation miteinande­r und wirft die Frage auf, ob den Kitt der Gesellscha­ft vielleicht am Ende gar der Humor ausmacht.

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Foto: Graph Art Line e. U. Pepi Hopf will die Ängste der Menschen an der Wurzel packen.

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