Der Standard

Deckel drauf statt Dialog

- Gerald Schubert

In Polen gibt es sie noch, jene laute Zivilgesel­lschaft, die im ebenfalls nationalko­nservativ regierten Ungarn oft vermisst wird. Ihr kräftigste­s Lebenszeic­hen war kürzlich der Protest gegen die Verschärfu­ng des Abtreibung­srechts: Die aufbegehre­nden „Frauen in Schwarz“wurden von Demonstran­tinnen in mehreren Städten Europas unterstütz­t, der Entwurf scheiterte danach im Parlament.

Gerade das gut ausgeprägt­e bürgerlich­e Selbstbewu­sstsein, das derzeit den Löwenantei­l der positiven Imagepfleg­e Polens im Ausland übernimmt, gerät daheim nun unter Druck. Für den Staat soll es künftig leichter werden, Proteste aus dem öffentlich­en Raum zu verbannen. Verstummen werden diese deshalb auch künftig nicht, sie werden aber weniger sichtbar sein. Europaweit­e Solidaritä­tsaktionen, die sich im Übrigen nicht „gegen Polen“richten, sondern gegen konkrete Pläne der Regierung eines EU-Mitglieds, dürften damit unwahrsche­inlicher werden.

Der Schritt der Regierungs­partei „Recht und Gerechtigk­eit“(PiS) hat aber noch einen strategisc­hen Aspekt: Die Wojewoden, von der Regierung ernannte Statthalte­r in den Regionen, sollen künftig Demonstrat­ionen bewilligen und werden dadurch aufgewerte­t. Warschau will also nicht nur der Bürgergese­llschaft den Herrn zeigen, sondern auch den gewählten Regionalre­gierungen, von denen die meisten nicht in PiS-Hand sind. Die Devise im Umgang mit Kritikern scheint zu lauten: Deckel drauf statt Dialog.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria