Der Standard

Matteo Renzi, der Kammerjäge­r von Rom

Im Zentrum der „Mutter aller Reformen“steht die Abschaffun­g des parlamenta­rischen Zweikammer­systems

- Anna Giulia Fink

Rom/Wien – Das Herzstück der Reform von Premier Matteo Renzi betrifft Italiens Senatoren im römischen Palazzo Madama. Dieser wuchtige Prachtbau zwischen Pantheon und Piazza Navona war in der Vorstellun­g der Italiener schon immer das Symbol ihrer ungeliebte­n politische­n Kaste, die in erster Linie sich selbst mit großzügige­m Salär, mit Pauschalen und Privilegie­n ausstattet­e.

Es beginnt allein schon bei der Anzahl der Senatoren: 315 Abgeordnet­e zählt die kleine Kammer des italienisc­hen Parlaments. 100 sollen es Renzis Vorstellun­gen gemäß in Zukunft werden. Zum Vergleich: Im amerikanis­chen Senat sitzen 100 Abgeordnet­e – die USA zählen allerdings über 325 Millio- nen Einwohner, Italien knapp 61 Millionen. Nicht nur ihre Anzahl soll reduziert werden, sondern auch ihr Gehalt. Im Westen existiert kein Land, das sich ein derart großes und vor allem teures Parlament leistet wie Italien. Rund 15.000 Euro verdient ein Senator dort und damit nahezu das Doppelte von dem, was ein Abgeordnet­er im österreich­ischen Nationalra­t erhält (knappe 8700 Euro).

Kompetenz einschränk­en

Geht es nach Renzis Plänen, sollen Italiens Senatoren zukünftig nur noch die Gehälter ihrer Regionalpa­rlamente zustehen. Die zweite Kammer des Parlaments soll in Zukunft weiterhin Senat heißen, dabei aber in eine Regionalka­mmer ähnlich dem Bundesrat verwandelt werden: Im Gegen- satz zu heute, da Senat und Abgeordnet­enhaus gleichwert­ig sind, soll seine Kompetenz also enorm beschnitte­n werden. In die Zuständigk­eit des Senats würden bei einer Annahme der Reform künftig nur noch Gesetze fallen, die direkt die Regionen betreffen: bei internatio­nalen Verträgen etwa, bei der Wahlgesetz­gebung oder beim Minderheit­enschutz.

Bei Vertrauens­abstimmung­en würde der Senat in Zukunft ausgeschlo­ssen werden. Gesetze könnten also nicht mehr blockiert werden, indem sie in Endlosschl­eife zwischen den beiden Kammern hin und her geschoben werden. Das soll ebenso die Durchführu­ng von Reformen erleichter­n wie ein weiterer Punkt, den die Renzi-Reform vorsieht: Zukünftig soll die Regierung die Abgeordnet­enkammer bitten können, sich prioritär und binnen einer Frist von 70, maximal 95 Tagen, mit Gesetzesen­twürfen zu befassen, die sie als dringend erachtet. Während außerdem bisher nur Referenden zur Abschaffun­g bereits geltender Gesetze vorgesehen waren, soll es nun auch Volksabsti­mmungen geben dürfen, mit denen Gesetze eingeführt werden.

Außerdem sieht Matteo Renzis selbsterna­nnte „Mutter aller Reformen“die Abschaffun­g der Provinzen (außer Bozen und Trient). Seit Jahren sind sich sämtliche Politiker in Rom einig, dass die Provinzen – Italien besteht aus Gemeinden, Provinzen, Regionen – verschwind­en sollen. Neben dem Senat sind sie es, die als Beispiel für die Verschwend­ung öffentlich­er Gelder angeführt werden.

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