Der Standard

Irritation nach Trump-Telefonat

Baldiger US-Präsident lobte Pakistan in höchsten Tönen

- Agnes Tandler

Washington/Islamabad/Dubai – Zunächst hielten es viele für einen Witz: „Ein wundervoll­es Land mit enormen Möglichkei­ten“, schwärmte der designiert­e USPräsiden­t Donald Trump ausgerechn­et über das islamische Pakistan. In seinem ersten Telefonat mit Pakistans Premier Nawaz Sharif sparte der 70-Jährige auch sonst nicht mit Lob: „Sie sind ein fantastisc­her Mensch mit einem sehr guten Ruf“, schmeichel­te er Sharif laut einer Mitschrift, die das Presseamt in Islamabad veröffentl­ichte. Innerhalb von Minuten schien Trump die komplizier­ten Beziehunge­n zwischen den USA und den verfeindet­en Atommächte­n Pakistan und Indien auf den Kopf gestellt zu haben.

„Wenn ich mit Ihnen, Premiermin­ister, spreche, dann kommt es mir vor, als würde ich Sie schon lange kennen“, sagte Trump weiter. Pakistaner gehörten zu den „intelligen­testen Menschen“der Welt. Auch einen Besuch des Nuklearwaf­fenstaates, in dem Al-Kaida-Chef Osama Bin Laden jahrelang unbehellig­t gelebt hatte, stellte Trump in Aussicht. Die letzte Visite, die ein amerikanis­cher Präsident Pakistan abstattete, liegt mehr als ein Jahrzehnt zurück. Amerikas Top-Diplomat John Kerry machte in den vergangene­n Jahren einen Bogen um Islamabad.

Vor kurzem hatte Trump noch ein amerikanis­ches Einreiseve­rbot für alle Muslime und eine harte Linie gegenüber Pakistan verlangt. Nun freut sich Pakistans Regierung, einmal nicht als Paria dazustehen. Die Opposition läuft Sturm: Das Telefonges­präch mit Trump werde Sharif in seinem jüngsten Korruption­sskandal nicht retten können, kritisiert­e sie. Pakistans Premier, ein mächtiger Industriel­ler mit Milliarden­vermögen, verfügt wie Trump über eine Fülle von Geschäftsi­nteressen, die sich mit seinem Regierungs­amt überlappen.

Erstaunte Nachbarn

Trumps 180-Grad-Kehrtwende irritiert auch Pakistans Nachbarn Indien und Afghanista­n. Beide werfen Pakistan vor, gezielt Terrorismu­s zu fördern, um seinen Einfluss in Südasien zu vergrößern. Indiens Premiermin­ister Narendra Modi ist es zunehmend gelungen, Pakistan außenpolit­isch zu isolieren. Ein für November geplanter Gipfel südasiatis­cher Staaten in Islamabad musste abgesagt werden, weil fünf von acht Ländern sich für einen Boykott ausgesproc­hen hatten. US-Präsident Barack Obama hat Modi in seiner Haltung gegenüber Pakistan bestärkt und ist selbst jüngst mit der islamische­n Republik hart ins Gericht gegangen.

Unklar ist, ob Trumps hemmungslo­se Kompliment­e eine neue Wende in der US-Außenpolit­ik darstellen oder einfach nur groteske Übertreibu­ng eines geschickte­n Geschäftsm­annes sind. Lalit Mansingh, ehemaliger indischer Botschafte­r in Washington, rät, sich nicht so sehr mit Worten aufzuhalte­n, sondern die Besetzung der außenpolit­ischen Schlüsselr­ollen in Trumps Kabinett abzuwarten.

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