Schulz-Nachfolge: SP droht mit Koalitionsende
Fraktionschef Pittella kandidiert als EU-Parlamentspräsident, EVP nun in Zugzwang
Im Rennen um die Nachfolge von Martin Schulz (SPD) als EU-Parlamentspräsident ist zwischen den großen Fraktionen, Christdemokraten (EVP) und Sozialdemokraten (S&D), offener Machtkampf ausgebrochen. Die SP beharrt darauf, dass ihr dieses Amt für die zweite Hälfte der Legislaturperiode 2019 zustehe – und nicht der EVP, wie das 2014 ausgemacht, schriftlich niedergelegt wurde.
Ihr Hauptargument ist, dass die EVP nicht alle drei Präsidenten der wichtigsten EU-Institutionen besetzen könne. Kommissionschef Jean-Claude Juncker und der ständige Ratspräsident Donald Tusk sind Christdemokraten. Damit hatten die Sozialdemokraten seit Monaten argumentiert – aber zugunsten von Schulz. Er war mit Juncker der Garant einer „informellen schwarz-roten Koalition“der EU-Politik in Brüssel und Straßburg. Nun ist die Sache aber sehr kompliziert geworden.
Der Deutsche hatte vor einer Woche – für seine Fraktionskollegen völlig überraschend – angekündigt, dass er keine dritte Amtszeit anstrebe. Schulz kehrt als Spitzenkandidat von Nordrhein- Westfalen in die deutsche Politik zurück. Er ist als möglicher SPDAußenminister und Kanzlerkandidat im Gespräch. Diese Wendung erwischte SP-Fraktionschef Gianni Pittella am falschen Fuß, hatte er sich doch persönlich für Schulz ins Zeug geworfen.
Unter SP-Abgeordneten gibt es Unmut, weil sie sich von Schulz und Pittella in die Irre geführt sehen. Das mag ein Grund sein, warum der Fraktionschef, für die EVP überraschend, seine Kandidatur als Parlamentspräsident anmeldete. Die Christdemokraten sehen darin vor allem den Versuch des Italieners, seinen Job an der Fraktionsspitze „zu retten“.
Faymann nur ein Gerücht
Die S&D-Fraktion muss darüber noch abstimmen. Es gilt als unwahrscheinlich, dass die Abgeordneten den eigenen Präsidentschaftskandidaten mit Streichungen abstrafen. Um dem Ganzen Nachdruck zu verleihen, drohte der Italiener sogar damit, dass die Sozialdemokraten die Koalition mit der EVP beenden könnten, wenn sie versuche, „ein Machtmonopol“zu installieren. Vorläufig will er an Treffen der Präsidenten und Fraktionschefs (G-5) nicht teilnehmen. Echte Chance zum Parlamentspräsidenten dürfte Pittella bei der Wahl im Jänner nicht haben. Neben der Außenbeauftragten Federica Mogherini wäre er der zweite Italiener auf einem „großen EU-Posten“, die in der Regel zwischen den Staaten fair aufgeteilt werden. Somit könnte die Wahl doch auf einen EVP-Mandatar fallen. Die Christdemokraten küren ihren Kandidaten gerade in einer Vorwahl, Fraktionschef Manfred Weber vermittelt.
Er schloss Donnerstag aus, selbst EP-Präsident werden zu wollen. Da seit dem Jahr 2000 fast immer Abgeordnete großer EUStaaten, immer Männer, zum Zug kamen, dürfte die Irin Mairead McGuinness gute Chancen haben, ebenso der frühere slowenische Premier Lojze Peterle. Auch der 72-jährige Franzose Alain Lamassoure hat sich beworben.
Bliebe dann die Variante, dass ein Sozialdemokrat Ratspräsident Tusk ersetzt, der im Juli zur Wiederwahl ansteht. In Österreich wird Ex-Kanzler Werner Faymann von Medien ins Spiel gebracht. In Brüssel gilt das hinter vorgehaltener Hand als unwahrscheinlich. Ratspräsident sei „kein Versorgungsposten“, sagt ein EVP-Mann.