Von A wie Ansehen bis Z wie Zwist
Ein Triumph von Norbert Hofer (FPÖ) bei der Hofburg-Wahl würde Österreich außenpolitisch wohl keine neue Eiszeit bescheren, doch gemäß seinen Ankündigungen eine Neuausrichtung nach Osten – inklusive weiterer Fauxpas, wie Experten befürchten.
Wien – Zwanzig ausländische TVSender und insgesamt noch einmal so viele Agenturen, Radiostationen, Printmedien haben dem Innenministerium für Sonntag ihr Kommen angesagt, um den Ausgang der Wahlschlacht rund um die Hofburg in alle Welt zu transportieren. Bis nach Russland und Japan sollen hunderte Korrespondenten, Fotografen, Techniker rasch durchkabeln, ob nun der ehemalige Grünen-Chef Alexander Van der Bellen oder doch FPÖAnwärter Norbert Hofer zu Österreichs neuem Staatsoberhaupt gekürt wird. Derartigen internationalen Rummel kennt die Republik aus außenpolitischen Eiszeittagen – wie während der EU-Sanktionen angesichts von Schwarz-Blau oder in der Ära von Bundespräsident Kurt Waldheim.
Droht dem Land im Fall von Hofers Sieg erneut ein außenpolitisches Debakel? Immerhin hat der blaue Kandidat angesichts des Brexit-Votums kurz gar mit dem Öxit kokettiert und sich vor dem ersten Wahlgang für eine Wiedereingliederung Südtirols starkgemacht, was in Bozen Befremden auslöste. Parallel dazu goss seitdem Hofers Parteichef HeinzChristian Strache beim größten Nachbarn zusätzliches Öl ins Feuer, indem er Deutschlands Kanzlerin wegen des Flüchtlingsandrangs zur „gefährlichste Frau Europas“ausgerufen hat.
Doch trotz der diplomatischen Fauxpas geben Experten fürs Erste Entwarnung. Der Berliner Politologe Carsten Koschmieder erwartet laut APA keine epochalen Auswirkungen auf das Gefüge in Europa, denn: Weder ein Sieg Van der Bellens, der für das Zusammenrücken der Mitglieder in der Union eintritt, könne die rechtspopulistische Welle stoppen, noch werde sie durch einen Triumph Hofers unaufhaltsam.
Selbst im Lager der VdB-Unterstützer räumt man ein, dass sich die Geschichte im Fall einer Niederlage nicht eins zu eins wiederholen wird: „Die Zeit von Sanktionen“gegen ein verhaltensauffälliges EU-Mitglied, mittlerweile schon mehrere an der Zahl, „ist vorbei“, sagt Albert Rohan, früher Generalsekretär im Außenamt – wohl aber „werden sich die Einla- dungen“an Hofer als Staatsoberhaupt „nicht häufen“, glaubt er.
Zwar drohen mit dem Freiheitlichen als Präsident kaum Einreiseverbote in die bald von Donald Trump geführten USA oder gar ein ostentatives Dissen vonseiten der EU-Partner – doch mit Hofer an der Staatsspitze gelte Österreich in Brüssel ab sofort als „unverlässlicher“Player, glaubt Rohan. Nicht zuletzt, weil die FPÖ auf Europa-Ebene mit rechtsextremen Parteien wie dem austrittswilligen Front National von Marine Le Pen kaum Berührungsängste zeigt.
À la longue könnte Österreichs Ausrichtung unter Hofer jedoch völlig andere Züge annehmen, sorgen sich Ex-Spitzendiplomaten, während sich aktive Botschafter mit Einschätzungen nobel zurückhalten. Weil die FPÖ das Land am liebsten in der Gruppe der Vi- segrád-Staaten sehen würde, unterstützt Wolfgang Petritsch, früher Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina, ebenfalls Van der Bellen – und auch, weil er den „revisionistischen Kurs“Hofers auf dem Balkan als besonders problematisch einstuft.
Sorgfalt auf Balkan gefragt
Denn unlängst traf der Dritte Nationalratspräsident mit Serbiens Staatsoberhaupt Tomislav Nikolić zusammen, Freund Russlands und dessen Präsident. Mit Hofers Aussagen, dass der Kosovo nicht reif für eine Aufnahme in internationale Organisationen und Teil Serbiens sei, stärke er die serbischen Gegner der Unabhängigkeit des jungen Staates, kritisiert Petritsch – „und stellt den Friedensvertrag von Dayton infrage“. Sein Fazit: Wie in Südtirol trage der FPÖ-Mann in dieser Region „mehr zu Zwist bei, anstatt zu vermitteln“. Der Politologe Vedran Džihić bestätigt das im APA-Interview: Hofers Balkan-Politik sei zum Teil „höchst fahrlässig“.
Während Van der Bellen als Staatsoberhaupt zuerst Brüssel und Berlin einen Besuch abstatten möchte – hohe symbolische Bedeutung hätte für ihn auch Israel –, will Hofer, der sich zuletzt mit rechten Likud-Politikern umgab, lieber bald Prag und Moskau mit einer Visite beehren, wie dessen rechte Hand Martin Glier sagt. Hintergrund: Im Herbst holte sich Hofer Wahlkampfhilfe von Tschechiens Präsident Miloš Zeman, der Migranten gern in „leeren Landstrichen“Nordafrikas sehen würde.
Was Russland betrifft, macht sich Hofer dafür stark, dass die EU-Sanktionen gegen Moskau wegen der Krim-Annexion aufgehoben werden, für Van der Bellen wäre der Schritt nur dann denkbar, wenn im Konflikt mit der Ukraine „politische Verbesserungen“zu bemerken sind. Der ExGrüne plädiert zudem dafür, dass sich Österreich im Rahmen seines OSZE-Vorsitzes 2017 besonders darum bemüht, dass dieser Konfliktherd besänftigt wird.
In der 5000-köpfigen Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft werden beide Haltungen honoriert. Deren Präsi- dent Richard Schenz: „Jeder der Kandidaten will die Beziehungen auf vernünftige Basis stellen.“Wer nun der bessere Präsident wäre? Das will Schenz hier aber jetzt „keinesfalls bewerten“.