Der Standard

Kroatien-Rückschieb­ungen werden zum Teil gestoppt

Die vom Verwaltung­sgerichtsh­of aufgestell­te Hürde für Rückschieb­ungen von Asylwerber­n nach Kroatien werde in der Praxis nichts ändern, schien es zunächst. Nach genauem Nachfragen ergibt sich ein anderes Bild.

- Irene Brickner

FRAGE & ANTWORT:

Frage: Der Verwaltung­sgerichtsh­of hat die Rückschieb­ung von Asylwerber­n nach Kroatien infrage gestellt – sofern diese 2015/2016, als die Grenzen offen waren, nach Österreich kamen. Aus dem Innenminis­terium hieß es danach, es werde dennoch weiter laut Dublin-Verordnung nach Kroatien rückgescho­ben. Ignoriert das Ministeriu­m den Höchstrich­terspruch? Antwort: Nein. Vielmehr sollen Kroatien-Rückschieb­everfahren von Asylwerber­n, die nach Österreich „durchgewun­ken“wurden, ab sofort einer genauen Prüfung unterzogen werden. In den Fällen werde „individuel­l überprüft, ob die Einreise staatlich organisier­t worden ist“, sagte Innenminis­teriumsspr­echer Karl-Heinz Grundböck dem Standard am Donnerstag. Treffe das zu, werde das Dublin-Verfahren „ausgesetzt“, bis der Europäisch­e Gerichtsho­f die von Slowenien gestellte Frage beantworte­t hat, ob die Grenzübert­ritte während des Durchwinke­ns illegal waren oder nicht. Wenn illegal eingereist wurde, kann Dublin angewendet werden.

Frage: Also gibt es jetzt keine Rückschieb­ungen nach Kroatien mehr? Antwort: Doch, es gibt sie, denn viele Flüchtling­e kamen vor und nach dem Öffnen der Grenzen zwischen September 2015 und März 2016. Sie hatten keine offizielle De-facto-Erlaubnis für die Einreise, weshalb die Dublin-IIIVerordn­ung unzweifelh­aft auf sie anzuwenden ist. Die Ankündigun­g, doch weiter nach Kroatien zurückzusc­hieben, bezog sich laut Grundböck auf sie.

Frage: Wie viele Rückschieb­everfahren werden jetzt möglicherw­eise ausgesetzt? Antwort: Das ist schwer zu sagen, denn laut Innenminis­terium gibt es keine Zahlen. Erhoben worden sei nur, dass es heuer von Anfang Jänner bis Ende Oktober insgesamt rund 2000 Dublin-Rück- schiebunge­n aus und 500 nach Österreich gegeben habe. Die am Mittwoch kolportier­ten 2000 offenen Kroatienfä­lle und 300 bereits erfolgten Rückschieb­ungen nach Zagreb seien unzutreffe­nd.

Frage: Bleiben Asylwerber während „ausgesetzt­er“Verfahren hier? Antwort: Offenbar schon.

Frage: Bis wann wird der Europäisch­e Gerichtsho­f die Illegalitä­tsfrage beantworte­t haben? Antwort: Experten gehen von rund einem Jahr aus.

Frage: Wird diese Antwort über Slowenien, Kroatien und Österreich hinaus Einfluss haben? Antwort: Laut Experten eher nicht, denn nach Griechenla­nd, dem Beginn der Westbalkan­route, wird aus Menschenre­chtsgründe­n nicht rückgescho­ben. Deutschlan­d und Schweden wiederum begründen Dublin-Rückschieb­ungen selten mit illegaler Einreise.

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