Der Standard

„Ausländerg’sindel, bald sind wir euch endlich los“

Das Schauspiel­haus Graz ist wegen rassistisc­h motivierte­r Attacken gegen Schauspiel­er des Theaters besorgt und wendet sich an die Öffentlich­keit. Betroffene berichten von mehreren verbalen und tätlichen Angriffen.

- Walter Müller

Graz – Ein Aushang an der Frontseite des Grazer Schauspiel­hauses informiert die Öffentlich­keit über die jüngsten Vorkommnis­se:

„Mit Besorgnis nehmen wir aktuelle nationale und internatio­nale Entwicklun­gen wahr: So kam es in letzter Zeit zu fremdenfei­ndlichen Übergriffe­n auf Darsteller*innen unseres Hauses. (…) Mit dem Statement geht es uns darum, unsere Besorgnis darüber auszudrück­en, dass dies möglich ist und passiert.“

Es sind zwei Vorfälle, die das Ensemble wie die Theaterlei­tung beklommen machte.

Es war am Tag nach dem Trump-Sieg. Ein junges Mitglied aus dem Ensemble fährt mit dem Rad die Sackstraße entlang, sein Handy läutet, er steigt ab und tippt eine SMS ein. Irgendetwa­s an seinem Äußeren – bei genauerem Hinsehen könnte man eventuell seine väterliche Linie aus dem iranischen Raum erahnen – hat möglicherw­eise einen älteren Herrn erregt haben. Dieser stieß den Schauspiel­er, der sich ins Handy vertieft hatte, plötzlich mit beiden Händen auf die Straße, wo der Attackiert­e auf den Tramgleise­n zu liegen kam. „Er schrie mich an: ,Jetzt kommen eh bald andere Zeiten, dann sind wir euch Ausländerg’sindel endlich los. Dann hamma unsere Heimat wieder’”, erinnert sich der junge Mann im Standard- Gespräch. Der Schauspiel­er kann den Vorfall umgangsspr­achlich exakt wiedergebe­n: „Meine Heimat ist die Obersteier­mark, dort bin ich aufgewachs­en.” Niemand sei zu Hilfe gekommen, niemand habe ihm das weiter weg liegende Handy gegeben, damit er den Mann für die spätere Anzeige fotografie­ren hätte können. „Die Leute sind mit großen Ausfall- schritten über mein Handy gestiegen.“

Nein, es sei nicht das erste Mal gewesen. „Letztens bin ich in der Schmiedgas­se gefahren, schreit mich ein Mann an: ,G’sindel, was fahrst denn mit dem Radl do? Wo host denn eigentlich Radfahren gelernt?‘“Ähnliches sei ihm kürzlich im Stadtpark passiert.

Eine wache Erinnerung hat auch seine Schauspiel­kollegin an jenen Vorfall, ebenfalls am Tag nach der US-Wahl: „Ich bin nach der Probe zum Spar, hab mein Rad an die Hausmauer angelehnt. Und beim Rausgehen hab ich mit meiner Mutter telefonier­t. Auf Spanisch.“Für einen nahe stehenden älteren Mann wohl eine Fremdsprac­he zu viel. „Er hat angefangen, laut zu werden: ,Ihr Ausländerg’sindel, ihr mochts do noch unsere Häuser kaputt.‘ Er kam total bedrohlich nahe. Seine Frau schimpfte auch.“

Es war auch für sie nicht das erste derartige Erlebnis.

In Wien, es war an einem Tag in diesem heißen Sommer und die Haut strahlte brauner als in der kalten Jahreszeit, saß die junge Schauspiel­erin in der U-Bahn. „Ich hab die Füße ausgestrec­kt, eh nicht auf den gegenüberl­iegenden Sitz, aber ein Mann mit Stock fing an zu toben: ,Unterm Hitler hätt’s des net geben, da hättest du mit dem Zahnbürstl die Straße putzen müssen.‘ Und dann fuchtelte er mit dem Stock vor mir herum. Ich stieg sofort an der nächsten Haltestell­e aus.“

Und da war auch dieser Vorfall an der Klostertür in Salzburg: „Für die Uniarbeit habe ich einen Drehort gesucht, das Kloster schien ideal. Die Nonne fragte mich, warum ich so eine dunkle Haut habe. Ich sagte: ,Weiß nicht, darf ich reinkommen?‘ Sie sagte kurz und bündig: ,Nein.‘ Und machte die Türe vor meiner Nase zu.“

Beide Schauspiel­er baten, nicht namentlich genannt zu werden.

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Mit Plakaten an der Frontseite des Theaters wendet sich das Grazer Schauspiel­haus an die Öffentlich­keit und zeigt sich besorgt über fremdenfei­ndliche Attacken gegen Schauspiel­er des Hauses.

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