„Ausländerg’sindel, bald sind wir euch endlich los“
Das Schauspielhaus Graz ist wegen rassistisch motivierter Attacken gegen Schauspieler des Theaters besorgt und wendet sich an die Öffentlichkeit. Betroffene berichten von mehreren verbalen und tätlichen Angriffen.
Graz – Ein Aushang an der Frontseite des Grazer Schauspielhauses informiert die Öffentlichkeit über die jüngsten Vorkommnisse:
„Mit Besorgnis nehmen wir aktuelle nationale und internationale Entwicklungen wahr: So kam es in letzter Zeit zu fremdenfeindlichen Übergriffen auf Darsteller*innen unseres Hauses. (…) Mit dem Statement geht es uns darum, unsere Besorgnis darüber auszudrücken, dass dies möglich ist und passiert.“
Es sind zwei Vorfälle, die das Ensemble wie die Theaterleitung beklommen machte.
Es war am Tag nach dem Trump-Sieg. Ein junges Mitglied aus dem Ensemble fährt mit dem Rad die Sackstraße entlang, sein Handy läutet, er steigt ab und tippt eine SMS ein. Irgendetwas an seinem Äußeren – bei genauerem Hinsehen könnte man eventuell seine väterliche Linie aus dem iranischen Raum erahnen – hat möglicherweise einen älteren Herrn erregt haben. Dieser stieß den Schauspieler, der sich ins Handy vertieft hatte, plötzlich mit beiden Händen auf die Straße, wo der Attackierte auf den Tramgleisen zu liegen kam. „Er schrie mich an: ,Jetzt kommen eh bald andere Zeiten, dann sind wir euch Ausländerg’sindel endlich los. Dann hamma unsere Heimat wieder’”, erinnert sich der junge Mann im Standard- Gespräch. Der Schauspieler kann den Vorfall umgangssprachlich exakt wiedergeben: „Meine Heimat ist die Obersteiermark, dort bin ich aufgewachsen.” Niemand sei zu Hilfe gekommen, niemand habe ihm das weiter weg liegende Handy gegeben, damit er den Mann für die spätere Anzeige fotografieren hätte können. „Die Leute sind mit großen Ausfall- schritten über mein Handy gestiegen.“
Nein, es sei nicht das erste Mal gewesen. „Letztens bin ich in der Schmiedgasse gefahren, schreit mich ein Mann an: ,G’sindel, was fahrst denn mit dem Radl do? Wo host denn eigentlich Radfahren gelernt?‘“Ähnliches sei ihm kürzlich im Stadtpark passiert.
Eine wache Erinnerung hat auch seine Schauspielkollegin an jenen Vorfall, ebenfalls am Tag nach der US-Wahl: „Ich bin nach der Probe zum Spar, hab mein Rad an die Hausmauer angelehnt. Und beim Rausgehen hab ich mit meiner Mutter telefoniert. Auf Spanisch.“Für einen nahe stehenden älteren Mann wohl eine Fremdsprache zu viel. „Er hat angefangen, laut zu werden: ,Ihr Ausländerg’sindel, ihr mochts do noch unsere Häuser kaputt.‘ Er kam total bedrohlich nahe. Seine Frau schimpfte auch.“
Es war auch für sie nicht das erste derartige Erlebnis.
In Wien, es war an einem Tag in diesem heißen Sommer und die Haut strahlte brauner als in der kalten Jahreszeit, saß die junge Schauspielerin in der U-Bahn. „Ich hab die Füße ausgestreckt, eh nicht auf den gegenüberliegenden Sitz, aber ein Mann mit Stock fing an zu toben: ,Unterm Hitler hätt’s des net geben, da hättest du mit dem Zahnbürstl die Straße putzen müssen.‘ Und dann fuchtelte er mit dem Stock vor mir herum. Ich stieg sofort an der nächsten Haltestelle aus.“
Und da war auch dieser Vorfall an der Klostertür in Salzburg: „Für die Uniarbeit habe ich einen Drehort gesucht, das Kloster schien ideal. Die Nonne fragte mich, warum ich so eine dunkle Haut habe. Ich sagte: ,Weiß nicht, darf ich reinkommen?‘ Sie sagte kurz und bündig: ,Nein.‘ Und machte die Türe vor meiner Nase zu.“
Beide Schauspieler baten, nicht namentlich genannt zu werden.