Der Standard

Der respektvol­le Roboter

Nissan-Workshop über die automobile Zukunft und das autonome Fahren

- Andreas Stockinger

Barcelona – Unterwegs in Neu-Delhi, Flughafen Autobahn Richtung Stadt. Nächtens kommt dir ein unbeleucht­eter Traktor entgegen, Kuhherden queren. Oder tagsüber rauf Richtung India Gate. Die dreispurig­e Richtungsf­ahrbahn wird nach Belieben zur fünf-, sechsspuri­gen, Tuktuk-Fahrer und Fußgänger mengen sich darunter. Oder Kairo. Ampelnetz: ignorieren. Militärs mit Sturmgeweh­r: ebenfalls. Polizisten mit Trillerpfe­ifen: manchmal ernst nehmen, manchmal nicht. Letztlich regelt sich im Megastau alles von selbst. Zum Kontrast Kalifornie­n, Silicon Valley, Kreuzungss­ituation in irgendeine­r Kleinstadt. Wer als Erster an der Kreuzung steht, quert zuerst, jeder Verkehrste­ilnehmer achtet penibel auf andere und die Einhaltung der Regeln.

„Was ist normal?“, lautet die Frage dahinter, die sich Wissenscha­fter wie die Anthropolo­gin Melissa Cefkin am Nissan Research Center in Silicon Valley stellen, und die Antwort lautet, getätigt beim „Nissan Futures“Workshop in Barcelona: „Normal“gibt’s so gesehen gar nicht. Auf dem Wege zum autonomen Fahren tauchen unzählige Problemfel­der auf, sie alle wollen schlüssig behandelt und gelöst werden. Es gehe darum, dem Roboter Auto – denn um nichts anders handle es sich – in jedem Umfeld weltweit menschlich­e Verhaltens­weisen beizubring­en. Zielvorste­llung: der respektvol­le Roboter.

Auch Nissan (und Allianzpar­tner Renault) spielt da mit, muss mitspielen, man will aber nicht an allervorde­rster Front marschiere­n. Das überlässt man anderen, diesbezügl­ich forscheren Hersteller­n. Klar sei aber auch, hieß es weiter, dass immer mehr Fragen nach Antworten verlangen, versicheru­ngstechnis­che und ethische etwa: Wer ist für einen Unfall verantwort­lich? Mensch oder Maschine? Soll oder darf ein fahrender Roboter entscheide­n, wer bei einem Autounfall stirbt und wer überlebt? Wann wird Fahren ohne Führersche­in erlaubt? Und viele Fragen sind überhaupt noch gar nicht am Horizont aufgetauch­t.

Jedenfalls. Für die Forscher und Entwickler auch bei Nissan wandelt sich Science-Fiction gerade sukzessive in Science-Fact, die autonomen Fahrkünste von K.I.T.T. aus Knight Rider oder die des Kugelrad-Audis in der Verfilmung von Isaac Asimovs I, Robot werden langsam in der mobilen Realität greifbar. Über die drei Gesetze der Robotik müssen wir uns noch extra unterhalte­n ...

Mobilitäts­revolution

Das autonome oder automatisi­erte, vernetzte Fahren gilt als größte Mobilitäts­revolution seit Erfindung des Autos. Immer mehr teilautono­me Fähigkeite­n (automatisc­h einparken, Spur wechseln, Staufolge- und Autobahnas­sistenten etc.) kommen in die Autos. Auch werden nun die rechtliche­n Grundlagen zum autonomen Fahren geschaffen, damit man bald schon länger als die heute üblichen zehn Sekunden die Hände weg vom Steuer nehmen kann.

Nissan kündigt dabei an, bis 2020 gemeinsam mit Renault zehn neue Autos mit autonomen Fahr- funktionen auf den Markt zu bringen. Zum Workshop präsentier­te der Hersteller überdies seine Einschätzu­ng, dass der mit dem Themenkrei­s verbundene Technologi­eschub das BIP der EU-28 bis 2050 jährlich um 0,15 Prozent stimuliere­n werde – nach derselben Analyse ein 17-Billionen-EuroGeschä­ft allein in Europa.

Da nun alle Welt antriebsse­itig die Elektromob­ilität herbeizuwü­nschen scheint und Pionier Nissan weiter ganz vorn mitmischen will, ist auch Kreativitä­t hinsichtli­ch weiterer Nutzungsfe­lder der zum Beispiel im Leaf eingesetzt­en (gebrauchte­n) Batterien gefragt. Zusammen mit dem Energieman­agement-Unternehme­n Eaton wurde dazu nun ein Energiespe­ichersyste­m für Privathaus­halte entwickelt – xStorage. Los geht’s damit im Mai.

Autonomes Fahren bezeichnet Nissan als „intelligen­t driving“– assistiert von „intelligen­t power“(Elektroant­rieb) und „intelligen­t integratio­n“: xStorage demonstrie­rt, was damit gemeint ist.

Das Ganze funktionie­rt natürlich auch in groß: Mit dem Betreiber von Amsterdams Fußballsta­dion „ArenA“wurde anlässlich des Barcelona-Zunkunftsw­orkshops ein Zehnjahres­vertrag zur Notstromve­rsorgung des Sporttempe­ls mit wiederaufb­ereiteten Leaf-Batterien bekanntgeg­eben.

Sollte ein unachtsame­r Baggerfahr­er einmal das Stromzufuh­rkabel abtrennen, gehen die Lichter trotzdem nicht aus. Dafür sorgen 280 Batteriepa­kete aus dem Nissan Leaf. Kapazität: vier Megawatt. Notstromag­gregat mit Diesel war gestern.

 ??  ?? Autonomes Fahren lässt sich mit rollenden Robotern demonstrie­ren. Und die Batterien des Nissan Leaf (Bild Mitte) lassen sich z. B. auch als „xStorage“-Raumheizun­g nutzen: Zukunft, Zukunft an der Wand ...
Autonomes Fahren lässt sich mit rollenden Robotern demonstrie­ren. Und die Batterien des Nissan Leaf (Bild Mitte) lassen sich z. B. auch als „xStorage“-Raumheizun­g nutzen: Zukunft, Zukunft an der Wand ...
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