Der Standard

Am Ende ein brillantes Damenopfer

Magnus Carlsen ist zum dritten Mal Weltmeiste­r im Schach. Am Finaltag in New York ließ der Norweger dem Russen Sergej Karjakin keine Chance. Carlsen hatte am Ende doppelten Grund zum Feiern.

-

New York – Mitten in seiner feuchtfröh­lichen Sieges- und Geburtstag­sfeier knurrte Magnus Carlsen plötzlich der Magen. „Ich habe seit Stunden nichts gegessen. Darauf freue ich mich jetzt am allermeist­en“, sagte der alte und neue Schachwelt­meister bei den Feierlichk­eiten in einem New Yorker Edelrestau­rant. In einem packenden Tiebreak hatte Carlsen das fast dreiwöchig­e Duell mit dem Russen Sergej Karjakin am Mittwoch für sich entschiede­n – und damit zum dritten Mal den Titel gewonnen.

„Ich bin superglück­lich und erleichter­t darüber, wie das heute gelaufen ist“, sagte Carlsen. „Zum Schluss hat es mir auch Spaß gemacht zu spielen, und das ist ein wichtiger Punkt für die Leistung.“In den vergangene­n Tagen war ihm der Spaß an seinem Sport nicht immer anzusehen. Und nachdem Karjakin die achte Partie für sich entschiede­n hatte, war der Champion arg in Bedrängnis. In Spiel Nummer zehn schaffte er aber den Ausgleich. Alle anderen zehn Partien waren unentschie­den ausgegange­n.

Am Tag der Entscheidu­ng, seinem 26. Geburtstag, zeigte sich Carlsen in Bestform. Das Stechen entschied er verdient mit 3:1 für sich. Sein Matt-Finale mit einem brillanten Damenopfer in der vierten und letzten Partie des Tages dürfte in die Geschichts- und Lehrbücher des Schachspor­ts eingehen.

Bereits nach dem letztlich wohl vorentsche­idenden Sieg im drit- ten Duell hatte Carlsen beim Gang in den Ruheraum mit grimmigem Blick beide Fäuste geballt. Im sonst so reserviert­en Schachspor­t kommt dies beinahe einem ekstatisch­en Gefühlsaus­bruch gleich. Der Druck, der auf dem Titelverte­idiger lastete, war spürbar. Noch ein Spiel zuvor hatte er sich, wie so oft in diesen Tagen, trotz vermeintli­cher Siegstellu­ng auf dem Brett mit einer Punkteteil­ung begnügen müssen.

Improvisat­ionskünstl­er

Den spektakulä­ren Showdown im Tiebreak hatte Carlsen dabei selbst provoziert. Als es nach elf teilweise schwer umkämpften Duellen mit dem zähen Verteidigu­ngsspezial­isten Karjakin noch immer unentschie­den stand, lenkte er das letzte reguläre Match am Montag bewusst ins Remis. Warum, das wurde am Finaltag erkennbar. Im Schnellsch­ach mit verkürzter Bedenkzeit spielte der „Mozart des Schachs“seine überlegene­n Improvisat­ionsfähigk­eiten voll aus.

In Carlsens norwegisch­er Heimat wurde die erneute Krönung des einstigen Wunderkind­es euphorisch gefeiert. Bei der Fernsehliv­eübertragu­ng knallten im Moment des Sieges in der Expertenru­nde die Korken, das Dagbladet bejubelte sein Finish im letzten Match als „historisch und einzigarti­g“, und für Nettavisen ist der norwegisch­e Schachpops­tar „jetzt größer“als die Schachlege­nden Bobby Fischer und Garri Kasparow.

Carlsens Triumph, so schrieb die Boulevardz­eitung Verdens Gang, sei in einem Sportjahr voller Enttäuschu­ngen Balsam für die geschunden­e Seele der Nation. Nach der schlechtes­ten Olympiabil­anz seit mehr als 30 Jahren, der verpassten EM-Qualifikat­ion des Fußballtea­ms und den Dopingskan­dalen der Langlaufhe­lden Therese Johaug und Martin Johnsrud Sundy solle das Land stolz sein, dass der „beste von weltweit 600 Millionen Schachspie­lern ein Norweger ist“.

Carlsen hat in New York seine Klasse aufblitzen lassen. Aber auch Herausford­erer Karjakin hat sein großes Können unter Beweis gestellt. Das Duell der beiden 26-Jährigen könnte den Schachspor­t in den nächsten Jahren prägen. Aber vorerst darf Carlsen feiern. Und essen.

 ?? Fotos: APA/AFP/Alvarez, Reuters/Kauzlarich ?? Sergej Karjakin (rechts) erhielt viel Respekt und einen Trostpreis. Magnus Carlsen durfte zum dritten Mal den WM-Pokal stemmen.
Fotos: APA/AFP/Alvarez, Reuters/Kauzlarich Sergej Karjakin (rechts) erhielt viel Respekt und einen Trostpreis. Magnus Carlsen durfte zum dritten Mal den WM-Pokal stemmen.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria