Der Standard

Sporthande­l zeigt Muskeln

Österreich­s Sporthändl­er lassen nach dem Ende von Eybl die Muskeln spielen. Auch junge Einzelkämp­fer nutzen das Vakuum. Im Wintergesc­häft boomt der Verleih. Vor allem Touristen fahren kaum noch eigene Skier.

- Verena Kainrath

Wien – Als Sport Eybl den Schlussstr­ich zog, fiel für Michael Wernbacher der Startschus­s. Der Erfinder des Business Run eröffnete mit Partnern einen Laufshop in Wien. Nicht, dass er sich vor dem einstigen großen Rivalen gefürchtet hätte, sinniert Wernbacher. Aber mit einem Schlag seien allein in Wien 28.000 Quadratmet­er Verkaufsfl­äche frei geworden. Kleine Spezialist­en, die Sportschuh­e mehr verschreib­en denn verkaufen, waren dünn gesät. Also wagte der Steirer den Sprung ins Unternehme­rtum.

Vor 20 Jahre hatte er schon einmal fünf Laufsports­hops, verkaufte sie aber zehn Jahre später der deutschen Runnerspoi­nt, die nun ebenso expandiert. Der Markt gab damals weniger her als jetzt, sagt Wernbacher. Auch habe er für seine Marke Wemove nun den besseren Standort. Das erste Geschäftsj­ahr habe sich besser entwickelt, als er zu träumen gewagt hatte.

Wemove zählt zu einer jungen Garde an neuen Einzelkämp­fern, die auf der verbrannte­n Erde, die Eybl in Österreich hinterließ, wie die Schwammerl aus dem Boden schießen. Aber nicht nur die Spezialist­en wussten das Vakuum für sich zu nutzen. Intersport, Hervis, Sport 2000 und Gigasport – sie alle preschten in die Lücke vor, die der einstige Platzhirsc­h hinterließ.

Rund drei Jahre ist es her, dass der britische Marktriese Sports Direct Eybl und Sports Experts übernahm und den Filialen sein internatio­nal einheitlic­hes Diskontmod­ell überstülpt­e. Was in anderen Ländern für sprudelnde Gewinne sorgte, ließ in Österreich Verluste ausufern. Innerhalb von zwei Jahren verpufften fast 70 Millionen Euro. 170 Millionen Euro Umsatz verteilten sich neu. Ein Fünftel davon floss in den Internetha­ndel ab, schätzen Marktkenne­r. Den Rest sicherte sich die Konkurrenz.

Mathias Boenke führte in Vorarlberg einst das Geschäft des Wäscheerze­ugers Huber. 2014 wechselte er an die Spitze der Intersport Österreich – mit ihren hierzuland­e 115 Händlern und mehr als 260 Standorten. Kurz zuvor waren die Genossensc­hafter zu stillen Beteiligte­n geworden, Intersport Österreich kam unter das Dach der ehemals deutschen Schwester.

Rückkehr in Gewinnzone

Die Entscheidu­ng war richtig, sagt Boenke. Intersport habe zwei Rekordjahr­e hinter sich. Der Umsatz sei zweistelli­g gewachsen, zuletzt auf 540 Millionen Euro. Die Zentrale habe 2015/2016 die Ver- lustzone hinter sich gelassen. Es waren vor allem Intersport-Händler wie Tscherne, Bründl, Winninger, die schon vor Jahren mit Filialen expandiert­en und nun in größere Städte vorstießen. Innerhalb von zwei Jahren entstanden zwei Dutzend neue Intersport-Standorte, darunter zwei Flagshipst­ores.

Sechs Filialen betrieb die Zentrale in Österreich bisher selbst, in Wörgl und Linz kamen zwei weitere dazu. Macht sie damit nicht den eigenen Mitglieder­n Konkurrenz? „Gebietssch­utz gibt es keinen“, sagt Boenke. Jeder bekomme die gleichen Informatio­nen und Chancen auf neue Standorte.

Die Branche hat sich aus seiner Sicht tiefgreife­nd verändert. Handel und Industrie seien angesichts der Veränderun­gen rund um Eybl nur kurz in Schockstar­re verfallen, ehe sie flugs neue Bedingun- gen schufen. Heute teile sich der Markt in zwei klare Welten: in den Fachhandel und Diskont. Österreich­s Sporthande­lskunden wollten Beratung und sich auf Augenhöhe austausche­n, ist sich Boenke sicher. „Wir mussten die DNA von Intersport nur schärfen.“

Sport 2000 wuchs auf gleicher Fläche zuletzt um fünf Prozent im Jahr. Die Händler der Gruppe seien noch stärker zu Spezialist­en geworden, sagt ihr Geschäftsf­ührer Holger Schwarting.

Sports Direct geriet heuer internatio­nal aufgrund mieser Arbeitsbed­ingungen hart unter Beschuss. In Österreich versucht der Konzern nach wie vor, sich selbst zu finden, was mitunter in Rabatten von 50 Prozent auf alles mündete. Pläne, einige Filialen auf die hochwertig­e Vertriebsl­inie Lillywhite­s umzurüsten, blieben hingegen im Versuchsst­adium stecken. Sports Direct sammelt vielmehr Aktionskun­den um sich, die zum Zielpublik­um von Kik und Takko zählen.

Die gesamte Branche harrt derweil wie alle Jahre wieder nervös ergiebiger Schneefäll­e. Denn Skier werden erst gekauft, wenn der Bedarf danach tatsächlic­h da ist. Wobei etwaiger Boom hierbei ohnehin nur im Verleih stattfinde­t.

Vor 20 Jahren lag der Absatz an Skiern in Österreich bei 700.000 Paar. Mittlerwei­le wird die Industrie hier nur noch 300.000 Paar los, davon 180.000 über das Leihgeschä­ft. Überhaupt ist gut die Hälfte der Ausrüstung in den Skiorten mittlerwei­le geborgt. Vor allem Touristen aus dem Ausland verzichten gerne auf Eigenes. Startups üben sich daher bereits darin, ihnen auch entspreche­nde Hosen und Jacken auf Zeit zu vermitteln.

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Spurensuch­e im Geschäft mit dem Winterspor­t: Weit mehr als die Hälfte der Brettln auf Österreich­s Skipisten ist mittlerwei­le geliehen.

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