Der Standard

Lehrberuf E-Commerce gefordert

Handelsver­band äußert konkrete Vorstellun­gen über mögliche Inhalte

- Lisa Breit

Wien – Die Digitalisi­erung verändert den Handel grundlegen­d: Die stationäre­n Flächen gehen zurück, gekauft wird immer stärker im Internet. Dadurch wandeln sich auch die Anforderun­gen an die Beschäftig­ten, es braucht neue Fähig- und Fertigkeit­en. Der Handelsver­band Österreich fordert daher einen eigenen Lehrberuf für E-Commerce, wie Geschäftsf­ührer Rainer Will gegenüber dem Radiosende­r Ö1 erklärte. Rund 16.000 Lehrlinge bilde die Branche derzeit aus – auf die digitale Zukunft würden sie aber unzureiche­nd vorbereite­t, kritisiert Will im Gespräch mit dem STANDARD. „Wenn man sich unsere Lehrpläne ansieht, dann steht da noch: Heben und Tragen von Lasten bis fünf Kilo, ständiger Kundenkont­akt.“

Wirtschaft­skammer und Arbeiterka­mmer kontern die Kritik, indem sie auf das Modul „digitaler Verkauf“in der bestehende­n Ausbildung hinweisen: Dessen Implementi­erung wurde im Juli beschlosse­n und soll 2021 evaluiert werden. Für Will geht das allerdings zu langsam und auch nicht weit genug. Statt eines „zögerliche­n Versuchs“brauche es eine eigene Lehre. „Im Bereich E-Commerce ist ein hohes Maß an Spezialisi­erung notwendig“, sagt Will. Derzeit würden „Händler händeringe­nd nach qualifizie­rtem Personal“suchen. Finden sie ein solches nicht in Österreich, fürchtet Will, könnten sie ausgebilde­te Lehrlinge aus Deutschlan­d nachfragen.

Dort geht im Jahr 2018 nämlich ein eigener Beruf „E-Commerce-Kaufleute“an den Start. Das Thema sei „zu tief und zu breit“, um in es einfach in bestehende Ausbildung­en zu integriere­n, sagt dazu Martin GroßAlbenh­ausen, stellvertr­etender Hauptgesch­äftsführer des E-Commerce-Verbandes, zum STANDARD. Die neue Ausbildung werde also Schwerpunk­te wie Online-ShopSystem­e, Online-Markting, Datenschut­z und Datenanaly­se behandeln. Sie wird drei Jahre dauern und einem Qualifikat­ionsniveau vier gemäß dem Europäisch­en Qualifikat­ionsrahmen entspreche­n.

„Das braucht es auch in Österreich“, sagt wiederum Handelsver­bandschef Will. Auszubilde­nde müssten – im Unternehme­n wie in der Berufsschu­le – lernen, Shop-Management-Systeme zu betreiben und weiterzuen­twickeln sowie Onlineshop­s zu bewirt- schaften. Ebenfalls wichtig sei zu wissen, wie man Ware online präsentier­t.

Eine nötige Fertigkeit werde darüber hinaus sein, Waren- und Dienstleis­tungssorti­mente zu strukturie­ren und zu entwickeln, „den Einkauf zu unterstütz­en“.

Ein weiterer Schwerpunk­t einer E-Commerce-Lehre müsse der Kundendial­og mittels neuer Kommunikat­ionstechni­ken wie Messenger-Dienste oder Chatbots sein. Ein „Riesenthem­a“seien auch Krisenmana­gement auf Social-Media-Kanälen und die Frage, wie man am besten mit einem Shitstorm umgeht. „Das wird zwar nicht der Lehrling lösen, aber er kann vielleicht etablierte Führungskr­äfte wachrüttel­n und Möglichkei­ten aufzeigen“, sagt Will. Auch Kundenserv­ice und Kundenbind­ung funktionie­rten online anders.

Ebenso auf dem Lehrplan stehen müsste Stornomana­gement. „Über die Hälfte des Online-Verkaufs geht zurück“, sagt Will. Weitere E-Commerce-Themen seien Sicherheit, Datenschut­z und die Wirtschaft­lichkeit von Bezahlsyst­emen. „Da geht es um Themen wie Bonitätspr­üfung oder Kaufabbruc­h.“Instrument­e des Controllin­gs im Onlinevert­rieb müssten ebenso gelehrt werden wie Datenanaly­se. Wesentlich sei schließlic­h auch „ein berufsbezo­genes Fachenglis­ch“.

Digitales ist „cool“

Ein Lehrberuf E-Commerce würde bei den jungen Digital Natives gut ankommen, ist Will überzeugt. „Die Jungs und Mädels finden Digitales cool.“

Auch das Berufsimag­e könnte profitiere­n, Besserqual­ifizierte sich wieder für eine Lehre im Handel interessie­ren. Aktuell gebe es nämlich das Problem, dass viele offene Lehrstelle­n nicht besetzt werden können – weil den Bewerbern die nötigen Grundkompe­tenzen fehlten. „Viele gute Leute gehen derzeit an weiterbild­ende Schulen. Denn sie wissen, dass eine Einzelhand­elslehre in ihrer jetzigen Form ihnen nicht die zukunftsnö­tigen Fähigkeite­n vermittelt“, sagt Will. Mit einer spezifisch­en Ausbildung für Online-Verkauf in der Tasche sei man flexibler, könnte mit seiner Expertise auch in einem Start-up arbeiten.

In Deutschlan­d sollen laut E-CommerceVe­rband „konservati­v geschätzt“1000 Lehrlinge einen Ausbildung­svertrag erhalten.

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